Die EU-Polizeimission in der Ukraine (EUAM) hat am 1. Dezember 2014 offiziell begonnen. Trainiert werden dadurch Verbände, die dem ukrainischen Innenministerium unterstehen. Damit greift die EU nicht nur indirekt in den Bürgerkrieg ein, unterstützt werden auch eindeutig rechtsextreme Kampfverbände. Im ukrainischen Innenministerium machen mittlerweile Neofaschisten Karriere, die den Holocaust für "einen Lichtblick der europäischen Geschichte" halten.

Die EU versucht den Vorwurf einer Einmischung in den Bürgerkrieg dadurch zu entkräften, dass nicht das Verteidigungsministerium, sondern das Innenministerium der unmittelbare Kooperationspartner sei.  Das überzeugt nicht, denn auch dem Innenministerium unterstehen militärische Kräfte, die direkt in den Bürgerkrieg eingreifen. Dazu gehört vor allem die Nationalgarde, die Angriffe auf die Aufständischen im Osten des Landes durchführt. Dem Innenministerium zumindest formal angegliedert sind auch zahlreiche irreguläre bewaffnete Milizen bzw. Freiwilligenbataillone. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestages sind mindestens 36 Freiwilligenbataillone, die unter Kontrolle des Innenministeriums stehen, bislang an den Kämpfen im Osten eingesetzt worden. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages schätzt dabei etliche Einheiten als rechtsextrem ein, wie z.B. die Bataillone Donbass, Dnipro, Aidar und Asow.

„Kreuzzug für die weiße Rasse“

Das Asow-Bataillons wird von Andrij Biletzki kommandiert. Dieser sieht den Kampf gegen die Aufständischen im Osten als „Kreuzzug für die weiße Rasse“ und zwar „gegen die von Semiten geführten Untermenschen“. Zu den beliebten Symbolen des Asow-Bataillons zählen SS-Rune und Hakenkreuz. Andrij Biletzkis sitzt heute in der „Werchowna Rada“, dem ukrainischen Parlament. Seine Wahl wurde von prominenten Beratern des Innenministers Arsen Awakow unterstützt.

Auch anderen Asow-Führern verhilft das Innenministerium zur Karriere. Anfang November 2014 ernannte das Innenministerium den Asow-Vizekommandeur Wadim Trojan zum neuen Chef der Polizei der Oblast Kiew. Trojan war auch aktives Mitglied der neonazistischen Organisation „Patriot der Ukraine“, die Ausländer gewalttätig attackierte und nach Angaben örtlicher MenschrechtsaktivistInnen Adolf Hitlers „Mein Kampf“ verteilte. Sofort nach seiner Ernennung zum Milizchef kündigte Trojan an, dass er vielen Kiewer Milizionären durch eine Versetzung zur "Anti-Terror-Operation" in den Osten des Landes die Möglichkeit geben werde, sich selbst "zu stählen". Die Neonazi-Organisation „Wotanjugend“, zu der Trojan ebenfalls gute Kontakte nachgesagt werden, feierte dessen Ernennung als „revolutionären Schritt“ und drückte die Hoffnung aus, die Kiewer Miliz möge „ein Vorbild für die restliche Ukraine werden“. Davon kann man wohl ausgehen, denn der Innenminister rechtfertigte die Ernennung Trojans zum Polizeichef Kiews mit unmissverständlichen Worten: "Ich rechne fest damit, dass Patrioten, die ihre Hingabe in Kampfhandlungen unter Beweis gestellt haben, gemeinsam mit alten Spezialisten für eine neue Qualität der Polizei sorgen werden." GegnerInnen der Personalentscheidung seien „entweder Feinde der Ukraine oder Idioten“.

ImageTatsächlich sickern immer mehr einschlägige Gestalten in den ukrainischen Sicherheitsapparat ein. So wurde der frühere Swoboda-Politiker Juriy Michaltschischin in den Geheimdienst (SBU) aufgenommen, wo er nach eigenen Angaben mit Propaganda („operativer Information“) betraut ist. Michaltschischin hatte u.a. den Holocaust als „Lichtblick in der europäischen Geschichte“ bezeichnet und sich an Paraden zu Ehren der Waffen-SS-Division Galizien beteiligt.

„Selektives Geschichtsverständnis“

Die enge Zusammenarbeit von EUAM mit dem ukrainischen Innenministerium und seinen Gliederungen bedeutet also zweierlei: Unterstützung einer Bürgerkriegspartei und Unterstützung von rechtsextremen Verbänden. Dass 70 Jahre nach der Befreiung vom NS-Terrorregime EU-Einheiten als Ausbildner von ukrainischen Organisationen agieren, die die Waffen-SS und ukrainische NS-Kollaborateure feiern, ist an Zynismus kaum mehr zu überbieten. Dass alle EU-Staaten im November 2014 in der UNO-Generalversammlung einer Resolution gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus die Zustimmung verweigerten, ist auf diese Kollaboration mit rechtsextremen Kräften zurückzuführen. Schon lange vor dem prowestlichen Putsch im Februar 2014 knüpfte der EU-Auswärtige Dienst Kontakte zu diesen antidemokratischen Kräften, um den prowestlichen Regime-Change in Kiew gewaltsam zu erzwingen.

Dass sich Österreich an der EU-Polizeimission beteiligt, ist obendrein verfassungswidrig. Es widerspricht sowohl dem Friedensgebot des Neutralitätsgesetzes als auch dem antifaschistischen Auftrag des Staatsvertrags. Die Solidarwerkstatt hat in dem Offenen Brief „Vorrang für Antifaschismus und Frieden“ , der von 140 Menschen unterstützt wurde, die österreichische Regierung aufgefordert, diesen neutralitätspolitischen und antifaschistischen Verfassungsbestimmungen Vorrang vor der Unterordnung unter die EU-Außen- und Sicherheitspolitik einzuräumen. Anlass für diesen Offenen Brief war, dass sich auch der österreichische Vertreter bei der UN-Resolution gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus der Stimme enthielt. In Beantwortung des Offenen Briefes rechtfertigt das Außenministerium dieses skandalöse Abstimmungsverhalten damit, dass diese Resolution einem „selektiven Geschichtsverständnis“ entspräche. Mit solchen Floskeln versuchen Geschichtsrevisionisten schon seit langem, NS-Terror, Weltkrieg und Holocaust zu relativieren. Das ist nicht neu, neu ist, dass sie im Auftrag des Außenministeriums abgesondert werden.

Im österreichischen Staatsvertrag, der in Verfassungsrang erhoben wurde, verpflichtet sich Österreich dazu, „aus dem österreichischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu entfernen“ und „alle nazistische oder militaristische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern“. Dieses „selektive Geschichtsverständnis“ hat seinen guten Grund in der Monstrosität der Verbrechen des Nationalsozialismus, in die viele ÖsterreicherInnen verstrickt waren und der zur Auslöschung Österreichs geführt hat. Dieser antifaschistische Auftrag ist daher das Fundament der 2. Republik. Deshalb war den Rechtsextremen der verschiedenen Coleurs, insbesondere der FPÖ und ihren Vorgängerorganisationen, die 2. Republik mit ihrem „selektiven“ antifaschistischen Verfassungsauftrag schon immer verhasst. Heute kann sich die FPÖ genüsslich in der Opposition zurücklehnen, denn deren Denkweise hat längst die Regierungsbänke erreicht, seit die österreichische Außenpolitik am Gängelband von Brüssel und Berlin hängt.

Dass das Außenministerium Resolutionen gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus als „selektives Geschichtsverständnis“ denunziert und österreichische Polizisten im Rahmen von EU-Missionen bei der Ausbildung von rechtsextremen Bataillonen mithelfen, ist Resultat der Unterordnung Österreichs unter den EU-Auswärtigen Dienst. Über diesen werden Polizei- und Militärmissionen koordiniert und das Abstimmungsverhalten in internationalen Gremien festgelegt. Aus dieser Unterordnung muss Österreich raus, wenn wir Neutralität und Antifaschismus ernst und die Demontage der 2. Republik nicht weiter hinnehmen wollen!

Gerald Oberansmayr

Quellen:

(1) Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 18/2110, 12.8.2014 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/039/1803968.pdf
(2) http://lowerclassmag.com/2014/08/rassenkrieg-fuer-europas-werte/
(3) TAZ, 5.11.2014
(4) http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Ukraine1/polizei2.html
(5) Wiener Zeitung, 14.11.2014
(6) junge welt, 20.12.2012
(7) Offener Brief „Vorrang für Antifaschismus und Frieden“, Mai 2015
(8) GZ BMEIA-AT.8.19.11/0143-L7/2015, 22.7.2015