Die AK-Wien hat eine Studie zur Smart-Meter-Einführung erstellt, um eine „konsumentInnenfreundliche Lösung“ für die Einführung der umstrittenen Stromzähler zu finden. Diese Studie bestätigt einerseits die Kritik an den „intelligenten Messgeräten“, greift andererseits aber in die Trickkiste, um die Vorgaben der EU-Richtlinie nicht in Frage stellen zu müssen. Die KonsumentInnen werden dabei über den Tisch gezogen.

Immer mehr Menschen werden skeptisch in Bezug auf den Einbau von „intelligenten Strommmessgeräten“, den Smart Metern. Die Beschwerden über Netzbetreiber, die das im § 83 ElWOG verankerte Recht auf Opting out umgehen, werden lauter. Im § 83 ElWOG heißt es:

"Im Rahmen der durch die Verordnung bestimmten Vorgaben für die Installation intelligenter Messgeräte hat der Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen".

Dieses Recht auf Opting out wiederum steht in Widerspruch zur IME-Verordnung, die vorschreibt, dass mindestens 95% aller StromkundInnen bis 2019 mit „intelligenten Messgeräten“ auszustatten sind. Die Arbeiterkammer Wien hat nun bei Prof Daniel Ennöckl eine Studie in Auftrag gegeben, um eine - wie sie schrieben - „konsumentInnenfreundliche Lösung“ für dieses Problem zu schaffen.

Ein Dilemma

Prof. Ennöckl arbeitet zunächst heraus, wie hochproblematisch die Smart Meter in Hinblick auf den Datenschutz und das Recht auf Privatsphäre sind. Das ist verdienstvoll, weil er damit die diesbezüglichen Verharmlosungsstrategien der Stromkonzerne bloßlegt. Doch bei der Lösung des Problems zwischen dem Recht auf Opting out und dem Vorschreiben einer Quote gerät er in ein Dilemma. Einerseits weiß er: Bei Rechtsansprüchen kann es keine willkürliche „Quote“ geben, da das dem Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung widerspricht. Was würden Sie sagen, wenn man Ihnen sagt, dass Sie das Recht haben, jede Partei wählen zu können, die sie wollen, jedoch am Ende sichergestellt sein muss, dass die Partei XY mindestens 50% der Stimmen erhält. Absurd! Genauso absurd, wie das Recht auf Opting-Out an eine Quote zu binden. Andererseits weiß der Autor auch: Beseitigt man die Quote, dann bekommt man Probleme mit der EU. Denn auch wenn Österreich mit der Vorgabe einer 95%iger Smart-Meter-Durchdringung eine Fleißaufgabe leistet, auch die EU-Richtlinie fordert eine solche Quote (mindestens 80%). Aber Rechte kennen keine Quote – weder 95%, noch 80% noch sonst irgendetwas. Die EU-Richtlinie steht also in Widerspruch zu österreichischem Verfassungsrecht.

Griff in die Trickkiste

Um nicht die EU-Smart-Meter-Richtlinien in Frage stellen zu müssen, die für ihn bzw. seinen Auftraggeber offensichtlich sakrosankt ist, versucht Ennöckl einen Ausweg aus dem Dilemma, indem er in die Trickkiste greift:

  • Er thematisiert die Frage des Opting out ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes.
  • Der Datenschutz ist aus seiner Sicht gesichert, sobald bei den sog. „Digitalen Standardzählern“ (DSZ), die von den Netzbetreibern derzeit KundInnen angeboten werden, die ein Opting-out verlangen, nur mehr jährlich der Stromverbrauch abgelesen wird. Die Argumentation der Netzbetreiber: Solche DSZ seien keine „intelligenten Messgeräte“, weil bestimmte Funktionen (z.B. Viertelstundenablese) nicht aktiviert sind.
  • Bleibt nur mehr ein Problem: Was ist, wenn mehr als 5% der Bevölkerung ein solches Opting-Out verlangen. Dann – so schlägt Ennöckl vor – wird der DSZ einfach wieder zum „intelligenten Messgerät“ erklärt, das genauso in die 95%-Quote eingerechnet werden kann. Das Problem mit der Quote löst sich also für ihn in Luft auf, indem der DSZ zum Chamäleon erklärt wird, das genauso dem Opting out entspricht (wenn versprochen wird, nur jährlich abzulesen) wie auch der EU- bzw. IME-Verordnung, eine bestimmte Quote an „intelligenten Messgeräten“ zu erfüllen.
Wer verspricht, sich Augen und Ohren zuzuhalten, ist weder blind noch taub!

Zu Punkt 1) Das ist unzulässig, denn im § 83 ElWOG wird das Recht auf Opting-Out ohne Verweis auf einen bestimmten Grund eingeräumt. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Gründen, ein solches Opting-out wahrnehmen zu wollen – Datenschutz ist ein wichtiger, genauso auch Bedenken bezüglich Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz, Kostensteigerungen, usw. Ennöckl weicht dem aus. Datenschutzrechtlich ist für ihn alles in Ordnung, sobald der Netzbetreiber verspricht, nur mehr jährlich abzulesen.

Zu Punkt 2) Und auch das ist mehr als fraglich, da die Kunde keine Möglichkeit hat zu überprüfen, ob das von den Energiekonzernen bzw. Netzbetreibern tatsächlich eingehalten wird. Denn der Unterschied zwischen einem Smart Meter und einem DSZ ist kein grundsätzlicher. Es handelt sich um identische Geräte, der Unterschied liegt in der Konfiguration. Da ein DSZ über eine bidirektionale Verbindung verfügt, kann er aus der Ferne jederzeit manipuliert werden – also auch wieder auf eine „zeitnahe“ Überwachung umgestellt werden. Der Datenschutz ist also keineswegs gewährleistet, wenn der Smart Meter als DSZ konfiguiert wurde. Das Einbauen von Wanzen und Videokamereras in Ihrer Wohnung ist auch dann nicht erlaubt, wenn derjenige, der sie einbaut, hoch und heilig beteuert, nicht zu lauschen und nicht zu spähen. Wer verspricht, sich Augen und Ohren zuzuhalten, ist weder blind noch taub! Gerade der Datenschutz lebt vom legitimen Misstrauen der potentiell Betroffenen.

Zu Punkt 3) Hier liegt Ennöckl einerseits richtig. Auch ein DSZ ist ein „intelligentes Messgerät“, das – siehe oben – jederzeit wieder „scharf geschalten“ werden kann. Ennöckls wörtlich: „Die technischen Anforderungen, die ein intelligentes Messgerät im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 31 ElWOG erfüllen muss, werden nämlich in der IMA-VO 2011 – konkret in § 3 der VO – festgelegt. Dort wird aber keineswegs verlangt, dass die Geräte tatsächlich zeitnahe die Energieverbrauchswerte messen, sondern nur, dass dies mit einem solchen Gerät „möglich ist“. Die Kriterien des § 3 IMA-VO sind nahezu alle derart formuliert, dass die Möglichkeit bestehen muss, eine bestimmte Funktion zu nutzen. Dies ist aber auch bei der Bereitstellung von Digitalen Standardzählern der Fall; auch solche Geräte sind grundsätzlich in der Lage, die Funktionen eines intelligenten Messgerätes zu erfüllen, weil diese kurzfristig reaktiviert werden können.“ Andererseits ist aber genau das der Grund, warum durch DSZ einem rechtskonformen Opting out nicht genüge getan wird. Im § 83 ElWOG heißt es schließlich, dass „intelligente Messgeräte“ abgelehnt werden können.

Fazit

Die Studie der AK-Wien strebt angeblich eine „konsumentInnenfreundliche Lösung“ an. Tatsächlich offeriert sie EU, Regierung und Stromkonzernen einen juristischen Taschenspielertrick, um die KonsumentInnen, die auf ihrem Recht auf ein Opting-Out beharren, über den Tisch zu ziehen. Konsumentenschutz sieht anders aus. Interessanterweise deutet Prof. Ennöckl abschließend an, dass es auch eine viel einfachere Lösung gäbe, die tatsächlich grundrechtskonfrom und konsumentInnenfreundlich wäre: Abschaffung der verbindlichen Quote! Und genau das müssen wir durchzusetzen: Jeder und jede hat das Recht auf ein Messgerät, das keine Fernablesung und keine Fernmanipulation zulässt.

Quelle:
Daniel Ennöckl, Universität Wien, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht
SMART METER - Anrechnung der digitalen Standardzähler (DSZ) an die Einführungsquote der intelligenten Messgeräte zur Schaffung einer konsumentinnenfreundlicheren Lösung
Juli 2017