linsmaier5Was tun, wenn der OGH sich irrt oder fehlerhaft arbeitet bzw. urteilt? Dr. Barbara Trost, Univ. Professorin am Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Linz, hinterfragt das Urteil des OGH, das zu Kündigung eines unliebsamen Betriebsrats geführt hat. Johann Linsmaier, eh. Arbeiterbetriebsratsvorsitzender in der voestalpine, schildert seinen Fall.

"Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot sowie Mandatsschutzklausel zu Unrecht ignoriert". Dies war der Titel eines Artikels von Frau Univ. Prof. Barbara Trost über das oberstgerichtliche Urteil bei meinem Entlassungs- und Kündigungsprozess. Angeblich hat das Justizministerium um diese Stellungnahme ersucht, da es ein sehr außergewöhnlicher Prozess war.

Vorgeschichte: Insgesamt war ich über 40 Jahre in der voestalpine beschäftigt, davon 28 Jahre Arbeiterbetriebsrat (8 Jahre BRV-Stv. und 19 Monate Betriebsratsvorsitzender). Insgesamt gab es zwei Arbeitsgerichtsprozesse, den ersten habe ich über drei Instanzen gewonnen (LG, OLG, OGH) und den zweiten beim LG Linz 1. Instanz gewonnen, OLG Linz 2. Instanz verloren (Entlassung), OGH gab die Zustimmung für eine Betriebsratskündigung.

Innerhalb des Betriebsrates gab es immer wieder Konflikte, wer wird oder ist der Betriebsratsvorsitzende. Als mehrere Wochen lang 2010, in den Oberösterreichischen Nachrichten darüber berichtet wurde, und weil ein E-Mail in dem ich unter anderem finanzielle Unregelmäßigkeiten innerhalb des Betriebsrates aufzeigte, den Oberösterreichischen Nachrichten zugespielt wurde, reichte die voestalpine die erste Entlassungsklage ein.

Unliebsamen Betriebsrat loswerden

Mit der Hoffnung, einen unliebsamen kritischen Betriebsrat loszuwerden, beschloss der Betriebsrat eine um ca. 1 Jahr vorgezogene Betriebsratswahl. Ich kandidierte mit einer Namensliste bei dieser Wahl und im Rahmen der Wahlwerbung besuchte ich Mitarbeiter der Feuerverzinkung. Die Betriebsräte der Mehrheitsfraktion holten den Werkschutz (uniformiertes Wachpersonal), damit ich keine Wahlwerbung machen konnte.

Folgender Sachverhalt ist Knackpunkt des zweiten Prozesses. Dies ist der Originaltext aus dem OGH-Urteil und Teil eine Beschwerde E-Mail:

"BR B** Und sein dienstfreigestellter BR Stv. L** forderten mich auf, die Anlage zu verlassen weil ich mich nicht angemeldet habe, und keine Sicherheitsbelehrung bekommen habe. ich habe den Steuerstand nicht verlassen, und daraufhin haben sie den Werkschutz angefordert (Stasimethoden - in der DDR hat die Volkspolizei im Werk Eisenhüttenstatt Kontrollgänge gemacht, habe ich selbst erlebt, bei einer Dienstreise anlässlich meiner Diensterfindung 1985). Ich habe dann den Einlaufsteuerstand verlassen. Der Werkschutz hat festgestellt, dass ich richtig gekleidet war: Helm, Arbeitsmantel, Sicherheitsschuhe."

Emotionell erinnerte mich das Erlebnis mit dem Werkschutz sehr an die Volkspolizei in der DDR. Ich verwechselte die Volkspolizei mit der Stasi. Für mich war das Vorgehen der Betriebsräte der Mehrheitsfraktion eine Einschränkung der demokratischen Rechte. Die Stasi hat in der DDR demokratische Rechte eingeschränkt.

Der Richter der 1. Instanz urteilte, dass ich keine erhebliche Ehrverletzung gemacht habe, und dass solche Umgangsformen innerhalb des Betriebsrates vorkommen.

Die Richterin der 2. Instanz urteilte, dass dies eine sehr grobe Ehrverletzung ist und gab die Zustimmung für eine Betriebsratsentlassung.

Bei einer außerordentlichen Revision hob der OGH das Entlassungsurteil wieder auf, und gab die Zustimmung für eine Betriebsratskündigung.

In den Anmerkungen schrieb Frau Univ. Prof. Dr. Barbara Trost, dass bei der Gesamtsicht des Sachverhaltes "der bittere Eindruck von Ungerechtigkeit bleibt" und dass die Nichtberücksichtigung sowohl des Beschränkungs- und Benachteiligungsverbots, als auch der Mandatsschutzklausel "ein bedauerlicher Mangel" ist. Bei korrekter Anwendung wäre auch ein anderes Urteil möglich.

Löcher im Betriebsratsschutz schließen!

In der Urteilsbegründung des OGH wurde mehrmals darauf verwiesen, dass das Unternehmen im Rahmen der Fürsorgepflicht verpflichtet ist, Maßnahmen gegen erhebliche Ehrverletzungen im Unternehmen zu veranlassen. Auf der anderen Seite darf das Unternehmen dem Betriebsrat keine Anweisungen geben. Meiner Meinung nach ist das Unternehmen nicht verantwortlich, wie Betriebsräte untereinander in Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit vorgehen und umgehen. Durch solche Maßnahmen könnte das Unternehmen wohlwollende Betriebsräte bevorzugen bzw. kritische benachteiligen. Für diese Rechtssituation fehlt meiner Meinung nach ein Grundsatzurteil des OGH. Grundsätzlich ist das Rechtssystem in Österreich in Ordnung. Da es derzeit rechtlich keine Widerspruchungsmöglichkeit bei OGH-Urteilen gibt, muss der Gesetzgeber Möglichkeiten schaffen, dass Fehler korrigiert werden können. Der ÖGB ist auch gefordert dass es keine Löcher im Kündigungs- und Entlassungsschutz gibt.

Auf www.linsi.at gibt es die Originaltexte der OGH-Urteile, die gesamte Stellungnahme von Fr. Prof Barbara Trost und zusätzliche Info über die Hintergründe der Konflikte innerhalb des Betriebsrates.

Johann Linsmaier
(Juli 2017)