pflegenotstand 1Ein Bericht der Volksanwaltschaft hat gravierende Mängel in österreichischen Pflege- und Altenheimen aufgedeckt. Um den Pflegenotstand in Österreich zu beheben, wäre die Einbeziehung der Pflege in die Sozialversicherung notwendig. Die „Deckelung“ der Gesundheitsausgaben steht dem diametral im Weg.

Um die 500 Kontrollbesuche haben regionale Expertenkommissionen der Volksanwaltschaft im Vorjahr durchgeführt, 125 Alten- und Pflegeheime wurden besucht. Der Großteil hat Missstände aufgezeigt, die als untragbar bezeichnet werden, z.B.:

  • So wurden verwahrloste Senioren angetroffen, die mit Gurten im Rollstuhl fixiert waren. In einem Heim lagen alte Menschen in Harn und Kot wegen Streitigkeiten der Pflegekräfte.
  • Oft ist das Nachtmahl bereits um 16 Uhr, danach müssen die Bewohner ins Bett. Eine Seniorin erzählte, dass sie ab dem Nachmittag nichts mehr trinkt, um nicht später um einen Toilettengang bitten zu müssen.
  • Viele Pflegeheimbewohner müssen akzeptieren, dass es nur einen Dusch- und Badetag in der Woche gibt. In einer Einrichtung fiel sogar dieser aus, wenn er auf einen Feiertag fiel.
  • Unruhigen Personen wurden Medikamente verabreicht und bei Medizinverweigerung diese gemörsert und in Nutella gemischt. Die Medizin wurde nicht aus gesundheitlichen Gründen verabreicht, sondern um die Senioren wegen Personalmangel zu sedieren.
  • Zu geringe Betreuungsschlüssel bei Personen mit psychiatrischen Diagnosen führten zu häufigen Stürzen mit zum Teil schweren Verletzungen.

Volksanwalt Günther Kräuter spricht von "krassen Menschenrechtsverletzungen" und „struktureller Gewalt“, die in den Alten- und Pflegeheimen angetroffen wurden. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft vida, Willibald Steinkellner, machte vor allem Personalmangel für die Probleme verantwortlich: "Ja, es gibt massive Missstände in Pflegeheimen, und zwar in erster Linie was die Arbeitsbedingungen betrifft. Die Probleme im Pflegebereich sind hinlänglich bekannt, ob Personalmangel, Überlastung, Spardiktat, Scheinselbstständigkeit bei der 24-Stunden-Betreuung und so weiter und so fort" (Standard, 4.5.2017). Dadurch sinke nicht nur die Qualität der Pflege, sondern auch die Auswirkungen auf die Beschäftigten seien enorm. Seine Forderungen kurz zusammengefasst: mehr Geld, mehr Personal.

Mehr Geld, mehr Personal!

Doch genau da haben Regierung und Parlament im Dezember 2016 einen weiteren Riegel vorgeschoben, indem sie die weitere Verschärfung der „Deckelung“ der Gesundheitsausgaben beschlossen haben. Diese „Deckelung“ wurde bereits 2013 mit Inkrafttreten des EU-Fiskalpakts und der Verhängung des EU-Defizitverfahrens gegen Österreich eingeführt. Sie bedeutet, dass der Zuwachs der Gesundheitsausgaben mit dem Zuwachs bzw. den Veränderungen des Bruttoinlandsprodukts „gedeckelt“ wird. Nicht der Bedarf, sondern technokratische Budgetvorgaben bestimmen, wieviel Geld für Gesundheit und Pflege verwendet werden darf, um nicht in Konflikt mit den strengen Vorgaben des EU-Fiskalpaktes zu kommen. Gerade angesichts der wachsenden Zahl älterer und pflegebedürftiger Personen führt diese „Deckelung“ zu wachsenden Engpässen.

Pflege in die Sozialversicherung!

Um den Pflegenotstand in Österreich, der auch durch den Bericht der Volksanwaltschaft wieder einmal dokumentiert wurde, zu beheben, wäre es höchst an der Zeit, die Pflege in die Sozialversicherung einzubinden. Nur so kann sichergestellt werden, dass jeder und jede die Pflege bekommt, die er/sie benötigt – unabhängig von der Größe der Brieftasche. Nur so kann gewährleistet werden, dass wir genügend gut ausgebildetes, gut bezahltes Pflegepersonal haben. Dafür braucht es aber eine deutliche Anhebung der Pflege- und Gesundheitsausgaben, finanziert durch die Ausweitung der Sozialversicherungsabgaben auf die gesamte Wertschöpfung. Die Deckelung der Gesundheits- und Pflegeausgaben steht dem diametral entgegen!

Gesundheit und gute Pflege für alle! Weg mit dem Deckel!

Die Solidarwerkstatt ruft daher zur Demonstration „Gute Pflege für alle!“ am Fr, 12. Mai 2017 in Wien auf, die von den Gewerkschaften organisiert wird. Und wir laden ein, die Petition „WEG MIT DEM DECKEL – Gesundheit für alle statt Zwei-Klassen-Medizin!“ zu unterschreiben und weiterzuverbreiten.