Landwirtschaft HennenIm Teil 10 beschäftigen wir uns mit den Auswirkungen des EU-Beitritts auf die Landwirtschaft in Österreich, die sich seither dramatisch verändert. Die Weichen wurden auf Wachstum und Intensivierung gestellt und stellt viele bäuerliche landwirtschaftliche Betriebe vor die Wahl, zu wachsen oder zu weichen.

Über Jahrhunderte war Österreichs Landwirtschaft durch kleinstrukturierte Betriebe geprägt. Seit dem EU-Beitritt hat sich das Bild dramatisch gewandelt. Die Weichen wurden auf Wachstum und Intensivierung gestellt. Kleinbäuerliche Betriebe werden durch die Agroindustrie an den Rand gedrängt. Wer  sich nicht spezialisiert oder anpasst, wird verdrängt, was zu einem massiven Rückgang der bäuerlichen Betriebe seit dem EU-Beitritt Österreichs geführt hat. Immer weniger Landwirte bzw. Landwirtinnen bewirtschaften immer mehr Flächen und versorgen immer mehr Tiere!

Wachsen oder Weichen
Landwirtschaft TiereSeit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 hat sich die Betriebsanzahl um 30,4% verringert. Waren es 1995 noch 238.099 bäuerliche Betriebe so sind es 2013 nur noch 166.317. Die durchschnittliche Betriebsgröße hingegen stieg im selben Zeitraum an. Hatte ein Betrieb im Jahr des EU-Beitritts im Schnitt noch 31,5 ha bewirtschaftet, waren es 2010 42,4 ha und 2013 bereits 44,2 ha. Die Anzahl der Haupterwerbsbetriebe ging seit dem EU-Beitritt um 19.216 Betriebe (-23,7%) und jene der Nebenerwerbsbetriebe um 58.394 Betriebe (-38,9%) zurück.
Im EU-Binnenmarkt heißt es „Wachsen oder Weichen“. Zwischen 1990 und 2013 hat die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe mit weniger als 50 Hektar Fläche um 47% abgenommen, die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe über 50 Hektar dagegen um 46% zugenommen.
Was nun die Veränderung bei den Viehwirtschaft seit 1995 betrifft stellen wir dramatische Veränderung bei der Anzahl der Viehhalter fest. Gab es beispielsweise 1995 noch 116.593 Rinderhalter sind es 2013 nur noch 61.765. Die Zahl der Schweinehalter sank seit 1995 von 112.080 auf 26.075 und die der Hühnerhalter von 97419 auf 54975 .
Immer weniger Viehhalter haben eine immer größere Zahl Tiere. Denn während die Anzahl der Halter dramatisch gesunken ist, ist die Gesamtzahl der Tiere gestiegen (siehe Grafiken).

Patent auf Leben
Eigentlich sind Patente auf herkömmliche Pflanzen (und Tiere!) gesetzlich verboten. Eigentlich. Denn in fragwürdiger Auslegung des europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erteilt das Europäische Patentamt (EPA) Patente auf ganz gewöhnliche, ohne den Einsatz gentechnischer Methoden gezüchtete Pflanzen und Tiere. Saatgutkonzerne lassen jetzt herkömmliches Obst und Gemüse patentieren, so z.B. 2015 eine Brokkoli- und eine Tomatenzüchtung. Rund 180 Patente, welche klassische Züchtung von Pflanzen betreffen, sind bereits erteilt und etwa 1.200 Anträge auf derartige Patente eingereicht. Europaweit besitzen fünf Firmen die Hälfte der Patente auf Pflanzen: Monsanto, Dupont, Syngenta, BASF und Bayer.
Die Patentierung von Tieren und Pflanzen – also Leben – mache die großen Konzerne, die den internationalen Saatgutmarkt schon jetzt kontrollieren, noch stärker, warnen Kritiker: „Kleinbauern werden zu Lizenzgebühren gezwungen, wenn sie spezielles Saatgut verwenden“, sagt Thomas Fertl von Bio Austria.

Monopolisierung auf dem Saatgutmarkt
Auf gentechnisch veränderte Pflanzen (transgene Pflanzen) wurden seit den 1980er Jahren bis November 2015 1.960 europäische Patente erteilt und 6.750 ebensolche angemeldet. Das österreichische Patentgesetz (ÖPA), das dem Wortlaut des EPÜ folgt, erteilte im Zeitraum 2005 bis November 2015 drei Patente auf transgene Pflanzen.
Die voranschreitende Monopolbildung auf dem Saatgutmarkt, die Angebotsverarmung bei Kulturpflanzen, bringt auch die Arten- und Lebensraumvielfalt in Österreich weiter unter Druck. Ursachen der Biodiversitätsverluste sind schon jetzt u.a. Flächennutzung (Versiegelung)  infolge zunehmender Bevölkerungsdichte,  Industrialisierung und Infrastruktureinrichtungen (z.B. Straßen), Fragmentierung und Zerstörung von Lebensräumen, der Klimawandel. 27% der Säugetiere, 27% der Vögel, 60% der Kriechtiere und Lurche stehen auf der Roten Liste sowie ca. 33% der Farn- und Blütenpflanzen sind gefährdet.
Der Zoologe Thomas Frank, Universität für Bodenkultur, meint: „Eine große Artenvielfalt sorgt für fruchtbare Böden, Bestäubung von Kulturpflanzen und Klimaregulation. Eine reich strukturierte Agrarlandschaft fördert die Artenzahl an Nützlingen, was im Zuge der sogenannten biologischen Schädlingskontrolle zu einer Reduktion an landwirtschaftlichen Schädlingen führen kann. Und die weltweite Erntemenge an Kulturpflanzen würde dramatisch abnehmen ohne eine artenreiche Gemeinschaft an bestäubenden Insekten wie Wildbienen, Honigbienen, Hummeln oder Schwebfliegen.“

Verringerung der Artenvielfalt
Vielfach unbeachtet in der Diskussion „Bienen und Landwirtschaft“ sind die Entwicklungen in der Bewirtschaftung des Grünlandes in den letzten Jahrzehnten.
Die Entwicklungen in der Viehwirtschaft, wie z.B. Fütterung (Ganzjahressilage) und „Zuchtfortschritt“ in der Milchleistung, führte dazu, dass Grünland nun statt nur 2-3 Mal bis zu 5 Mal im Jahr geschnitten wird. Dies verringert die Artenvielfalt der Pflanzen - besonders dramatisch auch bei den bienenrelevanten. Neben giftigen Pestiziden setzt den Bienen der latente Mangel an einem vielseitigen Pollenangebot zu. Dies verringert Widerstandskraft und Lebensdauer der Bienenvölker.
Die Zahl der Imker und Bienenvölker hat seit EU Beitritt abgenommen. Gab es 1995 noch 28.447 ImkerInnen mit gesamt 393.723 Bienenvölkern, so sind es 2014 in Österreich nur noch 25.277 BienenhalterInnen mit ca. 376.100 Bienenvölkern. Von diesen verfügen 380 Imkerinnen jeweils über mehr als 150 Bienenvölker. Gemeinsam knapp 88.540 Bienenvölker, also rund ein Viertel aller. Auch hier scheint sich der Trend zu immer weniger Bewirtschaftern fortzusetzen.

Unter die Räder der Agroindustrie
Viel wurde vor der Volksabstimmung zum EU-Beitritt am 12. Juni 1994 von Regierung und Sozialpartner versprochen - eine bäuerlich strukturierte, naturnahe Landwirtschaft, “Österreich als Delikatessladen Europas”. Tatsächlich hat die EU Agrarpolitik, die  auf Massenproduktion und Exporte setzt, dazu geführt, dass immer mehr kleinbäuerliche Betriebe dem Druck nicht mehr standhalten, unter die Räder der Agroindustrie kommen und aufgeben. Wenn wir weg wollen von großstrukturierter, tierquälerischer, umweltbelastender und arbeitsplatzarmer Agroindustrie, wenn wir Ernährungssouveränität erreichen wollen, ist es notwendig den Vertrag mit der EU zu kündigen.

Eveline Steinbacher
(März 2017)


Quellen: www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/land_und_forstwirtschaft
www.oekonews.at/index.php?mdoc_id=1106915
www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/naturschutz/artenschutz/rl_pflanzen/
http://naturschutzbund.at/details-artikel/items/landwirtschaft-und-naturschutz-arbeiten-zusammen-fuer-mehr-biodiversitaet.html
www.biene-oesterreich.at/struktur-der-bienenhaltung-in-oesterreich+2500+1135143?env=Y2Q9Mg
www.lko.at/?+Gruenlandnutzung-aus-der-Sicht-derBienen+&id=2500,2348383


 Zurück zum Dossier: EU-Beitritt und seine Folgen