afrikaEin Gastbeitrag von Günther Lanier (Ouagadougou, Burkina Faso), der sich damit beschäftigt, wie immer mehr afrikanische Länder von der EU und deutschem Vorsitz an die Kandare genommen werden.

 

Trumps Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen hat Merkel & Co im November 2016 einen abermaligen Vorwand geliefert, um eine verstärkte Militarisierung der EU einzufordern. Dabei ist das vorgegebene Ziel schon länger klar: "Europa" soll eine militärisch operierende Weltmacht unter deutscher Führung werden (siehe dazu insbesondere die Analysen von German Foreign Policy).

Auf ideologischer ebenso wie auf materieller Ebene erfolgt eine massive Aufrüstung. Dabei wird das Gefühl der Unsicherheit, ja Bedrohtheit bewusst geschürt, damit die EU, sprich Deutschland, weltweit mit Waffengewalt ihre Interessen durchsetzen kann. Angeblich beinhalten diese Interessen insbesondere die Abwehr von MigrantInnen an der griechischen, türkischen, italienischen und spanischen EU-Außengrenze.

Afrika bleibt von den deutschen Weltmachtbestrebungen auch sonst freilich nicht unberührt.

Von der Berliner Konferenz zur EZA

Dem deutschen Kolonialismus war ein kurzes Schicksal beschieden gewesen. Der in Togo, Kamerun, Namibia, Tansania ab Bismarcks Berliner Konferenz von 1884/85 eingerichteten Herrschaft bereitete der Erste Weltkrieg ein jähes Ende. Nach dem Fehlschlag der Bemühungen um Weltherrschaft zur Zeit des Dritten Reiches wurden deutsche Kräfte dann zunächst auf den Wiederaufbau konzentriert und mit Ausnahme Südafrikas blieb das Interesse für Afrika weitgehend ein anekdotisches – so die Jägerfreundschaft zwischen dem Münchner Rechten Franz-Josef Strauß und Togos Lanzeitdiktator Gnassingbé Eyadema. Doch die Wirtschaftswunderjahre bescherten Bonn die finanziellen Mittel, die qua Entwicklungshilfe – später Entwicklungszusammenarbeit/EZA genannt – Deutschland in aller Diskretion eine dominante Rolle beim Aufrechterhalten der globalen Dominanzverhältnisse mit finanziellen Mitteln gestattete.

Nach vollbrachter Wiedereingliederung des Deutschen Ostens machten sich im neuen Jahrtausend expansivere Gelüste bemerkbar. Quasi als Versuchsballon fungierte in Afrika die deutsche Kultur: Das Goethe-Institut weitete seine Aktivitäten aus. Anschließend wurde im Zug der Reorganisation der deutschen EZA-Szene der basisnahe EntwicklungshelferInnen-Dienst DED von der schlagkräftigeren “ExpertInnen“-Organisation GTZ geschluckt. Die aus dieser Fusion resultierende Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit/GIZ, deren Jahresbudget von 2,07 Mrd Euro (2015) so manchen afrikanischen Staat vor Neid erblassen sieht, spezialisiert sich weltweit zusehends auf Hilfsdienste für Polizei und Militär.

Deutsche Geschäfte in Afrika

Welch besseres Mittel um afrikanischer Emigration an der Wurzel vorzubeugen, als die Wirtschaft in Afrika zum Blühen zu bringen? So ähnlich haben sich das die Regierungsoberhäupter der EU und Afrikas ausgemalt, die im November 2015 in Valletta ihren Aktionsplan gegen illegale Migration beschlossen – eine dieser Win-win-Geschichten, die so gern beschworen werden. Nun, die afrikanischen Ökonomien blühen noch nicht und viele Arbeitsplätze für Auswanderwillige wurden auch nicht geschaffen – aber immerhin findet die deutsche Wirtschaft genug Möglichkeiten zum Profitmachen vor, um mehr und mehr Kapital in Afrika zu engagieren. Der Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft e.V. empfängt BesucherInnen seiner Webseite mit dem Slogan “ Chancenkontinent Afrika!“

Da ist zunächst Südafrika, das auch nach dem Ende der Apartheid ein exzellenter Wirtschaftspartner der Deutschen geblieben ist. Circa 600 deutsche Unternehmen tummeln sich dort, haben 6 Mrd Euro investiert und beschäftigen ungefähr 100.000 Arbeitskräfte, vor allem in den Bereichen Kfz, Chemie, Maschinen- und Anlagenbau. Nach sehr substanziellen Zuwächsen bringt es Gesamtafrika mittlerweile auf 808 deutsche Unternehmen mit 196.000 Beschäftigten und 31,6 Mrd Euro Umsatz (nicht datierte Zahlen des Afrika-Vereins, wahrscheinlich 2014).

In Marokko weitet Siemens gerade sein Engagement in Windenergie aus, der deutsche Multi ist außer in Südafrika noch in Ägypten, Algerien und Nigeria aktiv. Am riesigen Sahara-Energie-Projekt Desertec sind die deutschen Unternehmen E.ON, RWE, Münchener Rück, Deutsche Bank und abermals Siemens führend beteiligt. In Nigeria sind u.a. das Ingenieurconsulting-Unternehmen Lahmeyer (mittlerweile Teil von Engie) und das Ingenieurbüro Julius Berger mit seiner Bautochter Julius Berger Nigeria PLC – angeblich der größte private Arbeitgeber des Landes – engagiert. Ein rezenter Jeune Afrique-Artikel (11.10.2016) listet neben alten Bekannten wie Daimler und Volkswagen auch Edeka, Fraport, Sota Domus als in Namibia, Ägypten und Senegal aktive deutsche Unternehmen. Schon Ende der Nullerjahre hatte die Commerzbank in mehreren afrikanischen Staaten Niederlassungen, BASF, Henkel und auch deutsche Firmen mit weniger klingenden Namen hatten den Wirkungsbereich “deutscher Qualität“ auf Angola, Togo, Äquatorialguinea… ausgeweitet.

Wirtschaft braucht Schutz

Auch jenseits der Ökonomie oder sie begleitend wird die deutsche Präsenz in Afrika handfester: Die deutsche Armee ist in Mali und auch im Niger engagiert. Im Tschad und in Nigeria bemüht sich Berlin um mehr militärischen Einfluss. Während sich Berlin noch nicht an vorderster Front einmischt (das bleibt vorerst Frankreich vorbehalten), sind deutsche Ausbildner, Aufklärer, Führungsoffiziere und Polizeifachkräfte seit ein paar Jahren im malischen Hinterland mit der Schulung malischer Militärs beauftragt. Im Trainingslager Koulikoro werden zusätzlich auch Stabsoffiziere der Nachbarstaaten Niger, Burkina Faso und Mauretanien sowie des Tschad ausgebildet. Am 12. Dezember 2016 verkündete die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Aufstockung der unter UNO-Mandat in Mali operierenden deutschen SoldatInnen von 650 auf 1.000. Zusätzlich zu den seit Anfang November in Mali operierenden Überwachungsdrohnen werden in Zukunft auch Rettungs- und – laut von der Leyen nur zu deren Schutz – Kampfhubschrauber zum Einsatz kommen.

Merkel hat im Oktober 2016 eine Afrikareise unternommen, die sie nach Mali, in den Niger und nach Äthiopien geführt hat (eine erste Afrika-Reise Merkels 2011 hatte Kenia, Angola und Nigeria eingeschlossen). Dort hat sie am deutschen Willen zur Einmischung wenig Zweifel gelassen. In der Folge empfing sie dann die Staatschefs des Tschad und Nigerias daheim in Berlin.

Was konkrete Resultate der Merkel-Reise betrifft, kommt Mali abermals die Vorreiterrolle zu – am 11. Dezember 2016 schloss das Land mit der EU ein Abschiebeabkommen, das wohl für andere Herkunftsländer von MigrantInnen wegweisend sein wird: Mali sichert der EU die Rücknahme von MigrantInnen sowie Hilfe bei ihrem Abschieben zu – dafür bekommt es von der EU Wirtschaftshilfe versprochen, insbesondere die Finanzierung von Wiedereingliederungsmaßnahmen der unfreiwilligen RückkehrerInnen aus der EU.

Conclusio:

Trotzdem – von Rekolonialisierung können wir nicht reden oder schreiben. Diese Art direkter Fremdherrschaft ist ein Konstrukt der Vergangenheit. Doch die Zeit der Scham ist vorbei. Wenn Berlin oder die EU inmitten von Bedrohung und Unsicherheit – dazu haben wir ja schließlich den Terrorismus – wenn Berlin also gebeten wird – dazu haben wir ja die afrikanischen Präsidenten – zu helfen…

Immer mehr afrikanische Länder werden von der EU unter deutschem Vorsitz enger an die Kandare genommen.