Ewald Gruenzweil

Das Werkstatt-Blatt interviewt den Mühlviertler Biobauern Ewald Grünzweil, Obmann der IG Milch, zur katastrophalen Situation der Milchbauern und –bäuerinnen.

"Für jeden Euro, den die Verbraucher in Industrieländern für Produkte der Lebensmittelindustrie ausgeben, müssen sie mehr als zwei Euro ausgeben, um die Schäden - Gesundheits- und Umweltschäden - derselben Lebensmittelmaschinerie abzudecken.“ 

Werkstatt-Blatt: Mit April 2015 wurde die Milchquote in der EU aufgehoben. Wie ist nun die Lage der Milchbauern? 

Erwin Grünzweil: Katastrophal. Der Milchpreis sank um beinahe 30 Prozent und erholt sich nur sehr langsam. Das wurde von uns prognostiziert. Im Gegensatz zu uns gab es von Seiten der Standesvertretung und der Milchindustrie Prognosen wie „20:20:60“. 20 Prozent mehr Milch, 20 Prozent höherer Preis, und dazu bedarf es einer Steigerung auf 60 Prozent Exportquote.

MilchbauernprotesteDas Label "A faire Milch" gibt es nach wie vor in den Regalen. Was wird damit bewirkt?

Zehn Cent pro verkaufter Packung „A faire Milch“ werden einmal jährlich zur Gänze direkt an  Milchbäuerinnen und –bauern, die bei uns Mitglieder sind, ausbezahlt. Damit ist es uns gelungen, in den letzten zehn Jahren beinahe 1,5 Millionen Euro auszubezahlen. Das ist direkte Hilfe. Danke an alle die „A faire Milch“ kaufen! Und bitte tut es noch mehr…

Den Bauern wird ja nachgesagt, eine starke Lobby zu haben und zum Bevölkerungsanteil überproportional im Politgetriebe mitzumischen. Wie seht ihr das?

Raiffeisen vereinnahmt(e) die Landwirtschaftskammer und den Bauernbund für eigene, und das sind nicht kleinbäuerliche, Interessen (und hätte im österreichischen Parlament Klubstärke). In einem Vorspannmechanismus werden zum Lukrieren und Begründen von öffentlichen Geldern die kleinen Betriebe vor den Vorhang geholt. Verteilt wird ein Großteil dieser Gelder hinter dem Vorhang an die Großbetriebe. Da könnte man noch viele Ungerechtigkeiten aufzählen.

Wie beurteilt die IG Milch die aktuelle Freihandelspolitik der EU?

Als unfair, undemokratisch, unmenschlich und existenzzerstörend. VerliererInnen gibt es durch diesen „Freihandel“ in der Landwirtschaft auf beiden Seiten der HandelspartnerInnen. Wir in Österreich und Europa müssen unter unseren Produktionskosten Milch erzeugen. Die dann auf Märkten in Afrika, Südamerika oder Asien billiger verramscht wird, als sie die Bauern und Bäuerinnen vor Ort produzieren können. GewinnerInnen sind eine Handvoll Konzerne, die für ihren Gewinn dann keine Steuern zahlen. Was wir brauchen, ist ein gerechter Handel.

Der EU-Beitritt Österreichs war ja mit dem Versprechen der Einrichtung eines "Feinkostladens Österreich" verbunden. Was ist daraus geworden?

Nichts! Seit 1995 hat alleine in Österreich alle dreieinhalb Stunden ein Milchviehbetrieb zugesperrt. Das heißt, dass die verbleibenden Betriebe doppelt so groß geworden sind. Und dieser Wahnsinn geht mit Unterstützung vorhin beschriebener Organisationen weiter. Und dass die großen industriellen Strukturen sehr ineffizient sind, hat auch vor kurzem PatMooney, der Träger des alternativen Nobelpreises,  bestätigt: „Für jeden Euro, den die Verbraucher in Industrieländern für Produkte der Lebensmittelindustrie ausgeben, müssen sie mehr als zwei Euro ausgeben, um die Schäden - Gesundheits- und Umweltschäden - derselben Lebensmittelmaschinerie abzudecken.“ Deswegen wäre eine wirkliche Entwicklung Richtung Feinkostladen Österreich von Nöten.