logo solidar werkstatt web klMitgliederbrief zur Einladung für die 23. Vollversammlung der Solidarwerkstatt Österreich.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir leben in einer scheinbar verkehrten Welt. Beim Parteitag der Torys in Großbritannien Anfang dieses Monats verkündet die konservative Premierministerin, Theresa May, "mehr Geld für Schulen, Universitäten und den sozialen Wohnungsausbau an." "Das Votum vom 23. Juni, bei dem sich die Btiten mit knapper Mehrheit für einen EU-Austritt ausgesprochen haben, sei 'eine einmalige Chance, den Kurs des Landes nachhaltig zu ändern'", so Theresa May wörtlich (Die Presse, 7.10.2016) Die Finanzbranche ist verschnupft und attestiert, dass die Premierministerin für sie "...wenig Verständnis zu haben scheint." (Finanzinvstor Michael Treichl im Kurier, 13.10.2016) "Der Staat müsse die freie Marktwirtschaft 'reparieren', wenn diese nicht funktioniere". Mit diesen Worten begründet May ein 5Mrd Pfund schweres Wohnbauprogramm der Regierung und eine "ordentliche Industriepolitik". Die Regierung will außerdem Unternehmen dazu verpflichten, Arbeitnehmer- und Verbrauchervertreter in ihre Verwaltungsräte aufzunehmen. (FAZ, 6.10.2016)

Werfen wir einen Blick auf ein Land am anderen Ende der EU, Griechenland, ergibt sich ein gegenläufiges Bild. Hier regiert Alexis Tsipras, der ehemalige Spitzenkandidat der Europäischen Linken. Pierre Moscovici, EU-Währungskommissar verkündet, Griechenland habe die"15 sogenannten Meilensteine ... in der Zwischenzeit abgetragen" (Die Presse, 11.10.2016). Die Einführung einer Mehrwertsteuer auf Bildungsleistungen, Rentenkürzungen um durchschnittlich 15 Prozent, bis auf Eur 345,-p. M., Einrichtung eines Privatisierungsfonds unter Kontrolle der Gläubiger, Erleichterungen bei Zwangsräumungen, die Gesundheitsausgaben wurden seit 2008 um über 40% gekürzt, die Hälfte aller ÄrztInnen  wurde entlassen, ein Drittel der GriechInnen hat keine Krankenversicherung mehr, so lauten die Meilensteine im Einzelnen. "Aids, Tuberkulose und Hepatitis breiten sich aus." (Georgis Vichas, Leiter einer Privatklinik in Griechenland,Werkstattblatt 3-2016)

Was rauskommt, wenn versucht wird, eine „Alternative“ zu diesen EU-Spardiktaten zu formulieren, ohne den Rahmen von EU und Euro in Frage zu stellen, zeigt die „Erklärung von Athen“. Diese wurde am 9. September 2016 von neun Regierungschefs aus Mittelmeer-Ländern beschlossen und sieht sich als Alternative zur neoliberalen Sparpolitik von Brüssel und Berlin. Federführend waren die Regierungschefs von Griechenland und Frankreich. Die zentrale Antwort dieser „Euro-Linken“ auf die durch die EU-Politik angerichteten sozialen Verwüstungen: Aufrüstung und Kriegsfähigmachung der EU auf allen Ebenen. Mit eurolinken Segnungen wird ein Militärisch-Industriellen-Komplex vorangetrieben, der am Ende Euro und EU mit Gewalt nach außen und innen zusammenhalten soll. Damit laufen die „Eurolinken“ bei den Neoliberalen in Brüssel und Berlin offene Türen ein.

Freilich, der Brexit ist ein Abenteuer. Niemand kann vorhersagen, wie dieses Abenteuer am Ende ausgehen wird. Insbesondere wie die Auswirkungen auf das Leben der arbeitenden Menschen in Großbritannien sein wird, ist ungewiss. Nur zeigt sich schon wenige Wochen nach dem Volksentscheid über den Austritt aus der EU wie aus abstrakten alternativen Konzepten praktische Politik wird, wie ganz neue Möglichkeiten auf die Agenda rücken. Auf der anderen Seite ist der Ausgang der Don Quichoterie, dem ordoliberalen Zentrum eine Antiausteritätspolitik innerhalb des Euro und des Binnenmarkts aufzwingen zu wollen, gewiss: ein mit europäistischen Beschwörungsformeln geweihter Aufrüstungs- und Militarisierungsschub.

Diese EU-Entwicklung fördert und erfordert rechtsextreme und rassistische Bewegungen. Das zeigt sich am Auftauchen sogenannter "Identitärer" am rechten Rand der Gesellschaft. "Unsere Idee ist ... keine nationale, sondern eine europäische." formulieren die "Identitären" und fordern folgerichtig ein "föderalistisch vereintes Europa." denn "Die Bedrohung ist keine Gefahr, die sich auf bestimmte Nationen beschränkt, denn sie besteht mit denselben Vorzeichen in ganz Europa." ("Warum wir Identitäre nicht nationalistisch sind!", Identitäre Generation Febr. 2014) Hinter den Konzepten der "Identitären" wird die alte Europakonzeption der Nazis sichtbar. "Eine Gemeinschaft, die sich auf ethnisch-kulturelle Voraussetzungen gründet, basiert auf invariabler Zugehörigkeit", so die "Identitären" (s.o.) Die Wette der Rechtsextremen ist gut berechnet und zynisch. Am Ende wird den europäischen Eliten nichts anderes übrig bleiben, als den mit kulturalistischem Getue notdürftig verborgenen Rassismus wiederzubeleben, wolle man verhindern, dass sich die EU in ihre Einzelteile auflöst. So ihr Kalkül. Und auch, wenn das europäistische Zentrum eifrig um Kindesweglegung bemüht ist, es kann nicht verhindern, dass in einem Rahmen, der nur rechte Politik zulässt, rechte Ideologie zum verbindenden Klebstoff wird.

Aus einer österreichischen Perspektive zeigt sich immer deutlicher für jegliche emanzipative Anstrengungen, wie notwendig es ist, um nationale Handlungsfähigkeit zu ringen. Die Solidarwerkstatt fordert seit langem: Keine Ratifikation von Freihandelsverträgen ohne (nationale) Volksabstimmung!" Am 26. Oktober 2016 standen wir vor dem Republiksdenkmal (Parlament) mit der Losung: "Aktiv neutral - statt EU-militarisiert!" Dass die Solidarwerkstatt in all den Jahren diesen Kurs auf ein freies, ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich halten konnte, war nur möglich, weil wir politisch, wirtschaftlich und finanziell völlig unabhängig vom Establishment sind.

Der Zustrom an Mitgliedsbeiträgen ist in letzter Zeit deutlich gestiegen. Das ermöglicht uns noch wirkungsvoller in gesellschaftliche Entwicklungen einzugreifen (siehe Tätigkeitsbericht). Zur Erinnerung: Als Richtwert für den Mitgliedsbeitrag haben wir 1% des verfügbaren Einkommens. Wir überprüfen das aber nicht. Jede/r kann das für sich freiwillig entscheiden. Als Mindestmitgliedsbeitrag haben wir Eur 60,- p.a., bzw. Eur 30,- für Menschen ohne Einkommen, festgelegt. Wir ersuchen Euch auch, die Möglichkeit eines Dauerauftrags zu überlegen. (siehe beiliegendes Formular) Daueraufträge bringen mehr Planungssicherheit für uns.

Alle Mitglieder sind bei der Vollversammlung am Sonntag, 13.11.2016, stimmberechtigt. Wir würden uns freuen, Euch bei der Vollversammlung begrüßen zu dürfen. Auch Nichtmitglieder sind bei der Vollversammlung herzlich willkommen.

Alles Gute!
Norbert Bauer, Anna Geisler, Boris Lechthaler, Andrea Mayer-Edoloeyi, Susanne Müller, Gerald Oberansmayr, Rudolf Schober, Eveline Steinbacher, David Stockinger, Johanna Weichselbaumer

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