Aufschrift Solidarstaat statt Konkurrenzregime und Menschen vor ParlamentBereits zum fünften Mal veranstalteten die Solidarwerkstatt und die MigrantInnenorganisation DIDF die Kundgebung „SolidarstaAt statt EU-Konkurrenzregime!“ vor dem Parlament, diesmal am 22. Mai 2016. Diese Veranstaltung findet immer an einem Sonntag rund um den 15. Mai statt, dem Jahrestag der Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrages, der im Jahr 1955 die Grundlage für die Unabhängigkeit und Neutralität Österreichs legte und Antifaschismus als Verfassungsauftrag der 2. Republik verankerte. Denn gerade diese Fundamente der 2. Republik kommen seit dem EU-Beitritt zunehmend unter die Räder.

 

 

 

Demo vor Parlament und Transparente Solidarstaat statt KonkurrenzregimBoris Lechthaler, Moderator der Veranstaltung, zitierte am Beginn aus dem diesjährigen Aufruf „SolidarstaAt statt EU-Konkurrenzregime!“: „Die EU-Integration führt zu Entsolidarisierung, Entdemokratisierung und Beteiligung an imperialen Abenteuern. Wir versammeln uns deshalb am 22. Mai 2016 vor dem österreichischen Parlament für die Errichtung eines freien, eines solidarischen, neutralen und weltoffenen Österreichs. Wir fordern den Austritt Österreichs aus der EU. Der EU-Austritt ist möglich und vernünftig. Hier und heute. Er ist realistisch. Nicht weil damit ein kostenloser Übertritt ins ‚Paradies auf Erden‘ verbunden ist. Der EU-Austritt ist realistisch, weil es Menschen gibt, die für eine solidarische Gesellschaft in einer demokratischen Republik Österreich als lebenswerte Alternative zum EU-Konkurrenzregime eintreten.“

EU-Battlegroups – Nicht in unserem Namen!
Als erster Redner ging Gerald Oberansmayr (Solidarwerkstatt) darauf ein, dass bereits ab 1. Juli 2016 wieder eines dieser „imperialen Abenteuer“ bevorsteht: in Form des Bereitschaftsdienstes einiger hundert österreichischer SoldatInnen für die EU-Battlegroups . Diese EU-Schlachtgruppen dienen als schnelle Eingreiftruppe, um auf Zuruf des EU-Rates innerhalb weniger Tage in den rohstoffreichen Regionen Zentral- und Nordafrikas, des Nahen und Mittleren Ostens militärisch zu intervenieren. Gerald Oberansmayr: „Diese Bereitschaft, für Großmachts- und Konzerninteressen in den Krieg zu ziehen, ist mit der Neutralität völlig unvereinbar, also ein klarer Bruch von Verfassungs- und Völkerrecht. Dass im monatelangen Präsidentschaftswahlkampf von keinem der KandidatInnen dieser Skandal angesprochen wurde, hat eine klare Ursache: In der Frage der EU-Militarisierung ist das Parlament schon längst eine oppositionsfreie Zone geworden. Rot, Schwarz, Blau, Grün und Pink befürworten die Teilnahme an den EU-Battlegroups. Umso wichtiger ist, dass wir von unten Druck dagegen machen, dass ÖsterreicherInnen wieder zum Töten und Getötetwerden in globale Kriege geschickt werden.“ Er rief daher auf, den Offenen Brief „EU-Battlegroups – Nicht in unserem Namen!“ zu unterstützen.

Raus aus Frontex und Dublin!

Als nächste Rednerin verurteilte Johanna Weichselbaumer (Solidarwerkstatt) den „Teufelspakt“ zwischen der EU und der Türkei, der dazu führt, dass das Asylrecht ausgehebelt wird. Johanna Weichselbaumer: „Dieser Deal zwischen der EU und der Türkei zeigt, wie die sog. ‚europäischen Lösungen‘ ausschauen: Menschen werden in ein Land zurückgeschickt, dessen Regierung die Menschenrechte mit Füßen tritt und den Krieg in Syrien anheizt. Kriegsschiffe und Drohnen machen die EU zu einer Festung gegen Menschen, die vor Kriegen fliehen, die die EU selbst mitangefacht hat. Diese ‚europäischen Lösungen‘ im Rahmen der EU führen dazu, dass die Genfer Flüchtlingskonvention beseitigt wird.“ Johanna Weichselbaumer rief daher dazu auf, dass Österreich seine Verantwortung für eine humane Asylpolitik selbst wahrnehmen muss. D.h. unter anderem: Errichtung sicherer Fluchtwege durch die Wiedereinführung des Botschaftsasyls, verstärkte Teilnahme am UN-Resettlement-Programm, Ausstieg aus Frontex und dem EU-Dublinregime, keine Unterstützung für die neoliberalen EPA-Freihandelsverträge der EU, die insbesondere in Afrika immer mehr Menschen verelenden lassen und zur Flucht zwingen.

Internationale Kooperation statt EU-Wirtschaftskrieg

Stefan Hinsch (Plattform Euroexit gegen Sozialabbau) zeigte auf, dass EU-Binnenmarkt und Währungsunion den Nationalismus und Rechtsextremismus entfachen, da sie den hemmungslos Kampf der verschiedenen Standorte gegeneinander zum obersten Ziel erklären und insbesondere in Südeuropa zu sozialen Katastrophen geführt haben. Dadurch wird die Demokratie immer weiter ausgehöhlt und die Vorherrschaft der deutschen Machteliten zementiert. Stefan Hinsch skizzierte auch die Alternative zum EU-Konkurrenzregime: „Wir brauchen souveräne Nationalstaaten, in denen die Menschen demokratisch entscheiden können, welchen Weg sie gehen wollen, und die partnerschaftlich miteinander kooperieren, statt sich einen Wirtschaftskrieg zu liefern.“

Leute bei Solidarwerkstatt FestGemeinsam gegen Arbeitslosigkeit und Rassismus

Solidarwerkstatt und die MigrantInnenorganisation DIDF (Föderation der demokratischen Arbeitervereine) arbeiten seit Jahren bei der Veranstaltung „SolidarstaAt statt EU-Konkurrenzregime!“ zusammen. Dadurch bringen wir zum Ausdruck, dass wir einen Solidarstaat Österreich wollen, in dem alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Hautfarbe gleiche Rechte und Pflichten haben. Dilan Duran (DIDF) betonte in ihrer Rede daher, wie wichtig es ist, dass alle in Österreich lebenden Menschen  „einen gemeinsamen Weg zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, von steigenden Lebenshaltungskosten und Rassismus finden.“ Dilan Duran forderte eine Politik, die die Fluchtursachen und nicht die Flüchtlinge bekämpft: „Fast nie werden die imperialistischen Länder erwähnt, die die Kriege anstiften. Niemand sollte dazu veranlasst werden, seine Heimat und sein Haus durch Krieg zu verlassen. Der Zusammenhalt und der Frieden müssen gestärkt werden. Hoch die internationale Solidarität!“

Friedensallianz souveräner Staaten
David Stockinger, als SPÖ-Gemeinderat in Schwechat aktiv, strich heraus, dass „aufgrund der neoliberalen EU-Verträge innerhalb der EU keine wirklich sozialdemokratische Politik gemacht werden kann. Die EU ist ein Elitenprojekt, das den Sozialstaat und die Neutralität zunehmend gefährdet.“ Die Alternative zu diesem Elitenprojekt sei „eine neue Friedensallianz souveräner Staaten, die auf Augenhöhe miteinander kooperieren.“

Hochschulen für den Frieden
Eveline Steinbacher (Solidarwerkstatt) informierte über die Gefahr der zunehmenden Militarisierung der Hochschulen. Der EU-Gipfel im Dezember 2013 erklärte zum offiziellen Ziel, die zivile Forschung verstärkt für die europäische Rüstungsindustrie nutzbar zu machen. Eveline Steinbacher rief deshalb dazu auf, die Kampagne „Hochschulen für den Frieden“ zu unterstützen, die darauf abzielt, an möglichst vielen Studienrichtungen und Universitäten „Zivilklauseln“ zu verankern. Darunter versteht man die Selbstverpflichtung, nur für friedliche Zwecke zu forschen und zu lehren. „Sagen wir Nein zu Forschung für Aufrüstung und Krieg!“, schloss Eveline Steinbacher.

Auf die eigene Kraft vertrauen!
Bettina von der „Antiimperialistischen Gruppe Ottakring“ bezeichnete die EU als „Kriegsbündnis“, das maßgeblich zur Eskalation der Konflikte in Syrien und der Ukraine beigetragen habe. Verschärfte Überwachungsgesetze in vielen EU-Staaten, wie z.B. das Staatsschutzgesetz in Österreich, oder der geplanten Aufbau eines EU-Geheimdienstes dienen dazu, soziale Proteste zu kriminalisieren. Bettina ermunterte, sich gegen die wachsende Militarisierung und Repression zur Wehr zu setzen: „Vertrauen wir in die eigene Kraft, eine wirkliche Alternative bekommen wir nicht am Stimmzettel serviert!“

Demo gegen TTIP vorm ParlamentVolksabstimmung über TTIP, CETA & Co!
Abschließend beschäftigte sich Rudi Schober, Gemeinderat in Ottensheim, mit den drohenden Auswirkungen von Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA. „Solche Freihandelsabkommen nützen nur den großen Konzernen, auf der Strecke bleiben die Lohnabhängigen und die Umwelt. Das zeigt sich auch an der EU, die selbst auf hemmungslosem Freihandel und Kapitalfreiheit beruht. Seit dem EU-Beitritt gibt es keine Reallohnzuwächse mehr, jährlich sperren seither 2.300 bäuerliche Betriebe zu, tonnenweise werden gentechnisch veränderte Futtermittel importiert.“ Wie sehr Parteien, die sich diesem EU-Regime verschrieben haben, ihre eigenen Grundsätze mit Füßen treten, erläuterte Rudi Schober am Beispiel der Grünen , die in Österreich behaupten, für die Umsetzung der Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens einzutreten, und gleichzeitig im EU-Parlament gegen die Ermöglichung eines nationalen Importverbots für gentechnisch manipulierte Organismen stimmen, da für die Grünen der EU-Binnenmarkt mittlerweile unantastbar geworden ist. Rudi Schober: „Ernährungssouveränität statt Freihandel durchzusetzen, ist ein grundlegendes Ziel eines Solidarstaats Österreich. Setzen wir daher eine Volksabstimmung über TTIP, CETA und andere Freihandelsabkommen durch!“

Hans Breuer und WandeReR-TrioWie schon in den Vorjahren beeindruckte und berührte auch heuer Hans Breuer und sein WandeReR-Trio (Duo) wieder mit seinen Liedern. Diese Musik stimmt manchmal fröhlich und manchmal traurig, immer aber gibt sie Mut, sich nicht mit Unerträglichem abzufinden, sondern unsere Empörung gegen die herrschenden Verhältnisse, die das Unerträgliche verursachen, zu richten und nicht gegen die Opfer dieser Verhältnisse. So werden wir zu Subjekten, so kann menschliche Emanzipation gelingen. Unser Programm „SolidarstaAt statt EU-Konkurrenzregime!“ soll diesem Ringen um Befreiung in jeder Hinsicht Raum geben. In diesem Sinne beschloss Boris Lechthaler die Kundgebung: „Wir sehen uns nächstes Jahr im Mai wieder vor dem Parlament!“