Hand mit Kerze und BlumenDie Studie eines Universitätsprofessors der kanadischen Universität Ottawa widerspricht ganz und gar der im Westen verbreiteten Version des Massakers in Kiew, bei dem am 20.2.2014 über 80 Menschen kaltblütig ermordet wurden.

Jeder Mensch, der vor zwei Jahren die Berichterstattungen rund um die „Euromaidan“-Protestbewegung in der Ukraine kritisch mitverfolgt hat, müsste durch die verdächtig schnelle Anschuldigung, die Berkut-Polizeieinheit und andere Spezialeinheiten hätten auf Geheiß der Janukowitsch-Regierung das Massaker am Maidan angerichtet, schwerstens irritiert gewesen sein. Stand diese Behauptung doch völlig im Widerspruch zu den Vorgängen im Parlament, zu dem Abkommen, das der damalige Präsident Janukowitsch Stunden zuvor im Beisein der von der EU und den USA hochgeputschten rechten Oppositionsführerm (Klitschko, Tjahnybok, Jazenjuk) und den Außenministern von EU-Staaten (Steinmeier, Sikorski) unterzeichnete. Warum sollte er einen Befehl geben, durch den er seinen Sturz selbst einleitete und durch die Hintertür fliehen musste - in Angst um sein Leben vor dem neofaschistischen Mob, der schon seit Wochen das Zentrum der Szene am Maidan mit Gewalt an sich gerissen und beherrscht hatte.

Bereitwillig wurde damals diese Version der Anschuldigung von beinahe allen westlichen, regierungsnahen Leitmedien übernommen und kanalisiert.

Vermummter Demonstrant mit Kette

Ivan Katchanovski (47) ist gebürtiger Westukrainer und lebt seit 20 Jahren in Nordamerika. Er lehrt Politikwissenschaften an der Universität Ottawa in Kanada. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Entwicklungen und Konflikte in ehemals sowjetischen Staaten ebenso in der Ukraine während und seit dem 2. Weltkrieg. Im Zuge dessen hat er sich auch von Beginn an mit dem „Euromaidan“ insbesondere mit der dort rasant zunehmenden Gewalt beschäftigt, inbegriffen die Angriffe auf staatliche Einrichtungen, die versuchten Erstürmungen des Parlaments und die brutale Gewalt gegen Andersdenkende, die schon schon im Vorfeld des Massakers zunahm. Er sammelte Unmengen an Beweismaterialien zum Massaker am 20. Februar 2014 und analysierte sie in akribischer Arbeit. Katchanovski im Interview der „Telepolis-Nachrichten“ am 17.12.2014: „Ich habe alle öffentlich zugänglichen Beweise genutzt. Videos und Fotos von verdächtigen Schützen, Live-Aussagen der Maidan-Ansager, Augenzeugenberichte beider Seiten, Funkübertragungen der Maidanschützen sowie der Scharfschützen von Spezialeinheiten und Sicherheitskräfte, öffentliche Aussagen damaliger und aktueller Regierungspolitiker, Kugeln und benutzte Waffen, Einschusslöcher sowie Verwundungsarten bei Demonstranten und Polizisten.“ (1)

Schüsse kamen von neofaschistischen Gruppen

Solidarwerkstatt Demonstration vorm Parlament Wien

 

Katchanoski wertete zusätzlich neu hinzugekommene, schwer belastende Beweismaterialien (Live-Übertragungen aus dem Hotel Ukraina, weiteres Filmmaterial) aus und hat sie vergangenen Herbst in einer Neuauflage seiner Studie dokumentiert.

Das erdrückende Ergebnis seiner Studie ist, dass die Mehrheit der tödlichen Schüsse auf Demonstranten, Journalisten, Polizisten und Unbeteiligte aus mindestens 20 Gebäuden, die von Kräften neofaschistischer Gruppen besetzt oder kontrolliert wurden, abgefeuert wurden. Die tödlichen Schüsse auf die Berkut-Sicherheitskräfte kamen demnach aus dem Haus des Konservatoriums. Die meisten Opfer jenes Tages starben im Kreuzfeuer. Sie wurden gleichzeitig von hinten, von links und rechts getroffen - nicht aber von vorn, wo die Berkut-Barrikade stand. (2)

Katchanovski: „Es gibt Hinweise, dass auch Anführer der Vaterlandspartei (der damaligen Partei des späteren Premierminister Jazenjuk, Anm.d.Red.) in das Massaker verwickelt waren. Aber es ist unklar, wie genau. Die Maidan-Selbstverteidiger, unter denen sich auch kleinere bewaffnete Einheiten befanden, wurden von einem Vaterlandsaktivisten (Andrij Parubij) angeführt.“(1)

Bis heute wurde von der ukrainischen Regierung kein einziger der tödlichen Schüsse auf die Polizisten am 20. Februar und den beiden Tagen zuvor wirklich untersucht. Jegliches Beweismaterial wird von der Oberstaatsanwaltschaft und Regierung ignoriert und Darstellungen verfälscht.

Racheakte

Als offenbar politische Reaktion auf seine Arbeit wurde Katchanovski das Haus, das er von seinen Eltern geerbt hatte, über das Luzker Gericht enteignet.

Katchanovski: „Bei diesem Enteignungsverfahren ist ein Anwalt beteiligt, der eng mit der neuen Regierung verbunden ist. Ich bin in dem Haus aufgewachsen und bei meinen zahlreichen Forschungsaufenthalten in der Westukraine zu aktuellen und historischen Themen war es immer mein Ausgangspunkt. Die Enteignung und die anderen politischen Reaktionen bedeuten, dass ich meine Forschungen in der Ukraine erstmals nicht fortführen kann. Sie deuten auch darauf hin, dass es dort noch ganz andere Racheakte gegen mich geben könnte. Ich bin nicht sicher, wann ich wieder in die Ukraine reisen kann.“ (1)

Warum auch die österreichische Bundesregierung nicht sonderlich an einer Aufklärung der faschistischen Massaker in der Ukraine interessiert ist?

Um die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens durchzusetzen, war den größeren EU-Staaten insbesondere Deutschland jedes Mittel recht. So auch die Kollaboration mit rechtsextremistischen Parteien, wie die Partei „Swoboda“ von Tiahnybok, deren großes Vorbild der Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera ist. Durch die Unterwerfung Österreichs unter das Amt des „Europäischen Auswärtigen Dienst“ war nicht einmal der Versuch da, sich von diesen Vorgangsweisen zu distanzieren. Im Gegenteil:  Außenminister Kurz und die gesamte Regierung fungierten als brave Sprechpuppen des deutschen Außenamtes und des Auswärtigen Dienstes der EU .

Zusätzlich wurden die im Zentrum des „Euromaidan“ wütenden Neofaschisten verharmlost und ihre Gewalt legitimiert. So hat sich auch die österreichische Bundesregierung als Wegbereiter von faschistischen Massakern mitverantwortlich gemacht. Ein besonders grauenvolles ereignete sich vor zwei Jahren am 2. Mai 2014 in Odessa . Ein neofaschistischer Mob des Rechten Sektors stürmten an diesem Tag das antifaschistisches Protestcamp in Odessa, steckte das Gewerkschaftshaus, in das viele geflohen waren, in Brand und massakrierte Dutzende AntifaschistInnen.

Johanna Weichselbaumer
(April 2016)

1 http://www.heise.de/tp/artikel/43/43649/1.html

https://www.jungewelt.de/2016/01-19/016.php


Tragödie von Odessa

Faschistisches Massaker in Odessa