ImageAb kommenden Jahr soll der Bau der A26-Westring-Autobahn mitten durch Linz begonnen werden. Aus - zumindest - zehn Gründen müssen wir das verhindern!

1 Vorgestrig, verantwortungslos und verlogen!

Alles, aber auch wirklich alles spricht dafür, dass wir eine umwelt- und menschenfreundliche Verkehrswende dringender denn je brauchen. Globale Gründe – Treibhauseffekt, Klimawandel, Zu-Ende-Gehen des Erdölzeitalters – ebenso wie lokale – Linz erstickt im Autoverkehr, hohe Schadstoff- und Lärmbelastung, viel zu viele Tote und Verletzte im Straßenverkehr. Und was macht die Politik in Linz und Oberösterreich? Sie will mit dem A26-Westring ein Mega-Straßenprojekt durchdrücken, das noch mehr Autoverkehr in die Stadt hereinschaufelt, während die umweltfreundliche Alternative dazu auf dieser Strecke – die Mühlkreisbahn - eingestellt und durch eine Schmalspur-Regiotram ersetzt werden soll, die nur mehr die Hälfte der bisherigen Strecke bedient. Diese Politik ist vorgestrig, verantwortungslos - und verlogen.

2 Wer Straßen sät, wird Autoverkehr ernten!

Diese Politik ist verlogen, weil die verantwortlichen Politiker/innen wissen, dass die Versprechungen, mit denen sie dieses Autobahnprojekt mitten durch die Stadt begründen, nicht stimmen. Versprochen wird eine Entlastung staugeplagter PendlerInnen und verkehrsgeplagter BewohnerInnen. Studien, die von der ASFINAG (2007) bzw. dem Linzer Gemeinderat (2008) in Auftrag gegeben wurden, beweisen das Gegenteil. Anfänglichen Entlastungen in bestimmten Bereichen (z.B. Waldeggstraße Nord, Rudolfstraße) stehen erhebliche Mehrbelastungen in anderen gegenüber; z.B. Blumauerstraße (+ 131%), Kärntnerstraße (+86 %), Gruberstraße (+17%), Dinghoferstraße (+16%), Goethestraße (+28%). Schon jetzt durchqueren 100.000 Fahrzeuge täglich den Bindermichl-Tunnel. Mit dem Westring werden bis 2030 122.000 Fahrzeuge vorhergesagt. Die Westbrücke überqueren derzeit 50.000 Fahrzeuge täglich, mit dem West-ring/A26 werden es 2030 täglich 78.000 Fahrzeuge sein. Die Staus werden also nur verlagert. Auch die anfängliche Entlastung auf der Nibelungenbrücke wird von der ASFINAG als so gering prognostiziert (-11%), dass der damalige Planungsstadtrat und heutige Bürgermeister Klaus Luger eingestehen musste: "Die Entlastung ist viel geringer als erwartet.“ (OÖN, 14.7.2015) Und das dicke Ende kommt nach nicht einmal 10 Jahren: Dann ist selbst diese Entlastung wieder futsch! Und: Statt wie derzeit 47.000 Autos über die Nibelungenbrücke queren dann zusammen 85.000 Autos die Nibelungenbrücke und die neue errichte Westringbrücke! Selbst der Projektbetreiber ASFINAG bestätigt damit: Wer Straßen sät, wird Autoverkehr ernten!

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Aktion der „Initiative Verkehrswende jetzt!“ gegen den Westring, am 5.7.2015 in Linz

3 Verheerend für Gesundheit

Die Abgase von 30.000 täglichen Fahrzeugen sollen gebündelt jeweils an den Enden der Tunnelröhren hinausgeblasen werden, also in die Frischluftschneise des Donautals und ins Bahnhofsviertel. Ein von der ASFINAG beauftragter Mediziner hat festgestellt, dass die Lärm- und Schadstoffbelastung durch den Westring in Bahnhofsnähe so hoch sein wird, dass es dort zu einem Wohnungsverbot kommen soll. Im Bahnhofsviertel wohnen aber nicht nur Menschen, dort arbeiten mittlerweile viele tausend (Bahnhofstower, Wissensturm, Energie AG, Landesdienstleistungszentrum, Post, Musiktheater, usw.). Auch sie sind dann 8 bis 10 Stunden am Tag diesen enormen Schadstoffbelastungen ausgesetzt. Aufgrund des steigenden Verkehrsvolumens wird die Schadstoffbelastungen für alle LinzerInnen wachsen. Linz ist schon jetzt ein Luftsanierungsgebiet, die lungenschädlichen Abgase müssen daher endlich reduziert und dürfen nicht noch weiter erhöht werden! Eine Studie des Umweltbundesamtes hat ergeben, dass in Linz auf Grund der hohen Feinstaubbelastung die Lebenserwartung um 14 Monate unter dem österreichischen Durchschnitt liegt. Laut Umweltverträglichkeitsprüfung verkürzt der Westring statistisch die Lebenserwartung nochmals um ein halbes Monat. Auch die Lärmbelastung steigt für viele Menschen massiv an. Betroffen sind tausende Menschen in über 500 Wohnobjekten, darunter viele Mehrparteienhäuser. Hier sollen Lärmschutzfenster eingebaut werden. Verweilen auf Terrasse, Balkon oder Vorgarten und Schlafen bei offenem Fenster werden durch diese Dauerbeschallung aber für viele unmöglich.

4 Energieverschwendung

Der Westring ist eine Energieschleuder ersten Ranges - nicht nur bei der Errichtung, auch bei der Instandhaltung. Alleine die Beleuchtung der Tunnel verschlingt jährlich den Stromverbrauch einer Kleinstadt. Der Energieaufwand der motorisierten PendlerInnenwege auf der B 127 steigt mit dem Westring um 25% an.

5 Unwiederbringliche Naturzerstörung

Der Westring führt zu massiven Einschnitten in einer ökologisch besonders sensiblen Landschaft, dem Donautal entlang der „Urfahrer Wänd“. Baumrodungen und Sprengungen zerstören den Lebensraum von Pflanzen und Tieren (z.B. Wanderfalken). Dadurch wird die Artenvielfalt weiter reduziert. Auch der Erholungsraum des Menschen wird schwer beeinträchtigt: im Donautal, am Freinberg und im Bereich des Ziegeleiparks.

6 Neue EU-Transitschneise droht

Die ursprünglich geplante Nordvariante des Westrings (Tunnelverbindung unter dem Pöstlingberg zur A7) ist zwar vorerst auf Eis gelegt. Ob das nach Fertigstellung des Südabschnitts so bleibt, ist fraglich. Denn sobald dieser fertig ist, wird sich Druck auf eine Errichtung des Nordteils aufbauen, um für den Nord-Süd-Transit auf der Route Berlin-Triest eine weitere Schneise zu schlagen. Die Phyrnautobahn und die A7 sind Teil der „Transeuropäischen Netze“ (TEN), deren Ausbau von der EU gefordert und gefördert werden. In diesen TEN-Netzen Linz gilt als „Nadelöhr“ für den LKW-Transit. Die Westring-Trasse ist nach wie vor für den Süd- und den Nordteil gewidmet.

7 Unverschämt teuer

Schon in der Projektphase haben sich die Kosten der Westring-Stadtautobahn mehr als versechsfacht, von 100 Millionen Euro im Jahr 1999 bis jetzt zu offiziell eingestandenen Kosten von rd. 650 Millionen Euro heute. Bürgerinitiativen gehen angesichts dieser Kostendynamik wohl zurecht davon aus, dass in der Endabrechnung die Gesamtkosten bei über einer Milliarde liegen werden. Zum Vergleich: Damit könnte man allen erwachsenen LinzerInnen eine Jahreskarte der Linz-Linien schenken – 25 Jahre lang! Für diese 4,3 Kilometer lange Stadtautobahn wird das Geld beim Fenster rausgeworfen, das wir so dringend für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs benötigen, um zu verhindern, dass Linz in Abgasen und Stau erstickt. Noch ein Vergleich: Die umfassende Sanierung und Attraktivierung der Mühlkreisbahn wird auf 80 bis 100 Millionen Euro geschätzt - ein Bruchteil der Kosten des Westrings! Das ist nicht nur ökologischer, es ist auch viel effizienter: Auf der Breite eines Fahrstreifens können mit Autos 2.000, mit Bussen 9.000 und mit der Bahn 22.000 Personen pro Stunde durchgeschleust werden.

Image8 Mehr Arbeitsplätze durch Öffi-Ausbau

Der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs ist nicht nur ökologischer, er ist auch arbeitsintensiver. Eine WIFO-Studie belegt, dass beim  Öffi-Ausbau mit demselben Geld um bis zu 60% mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Würden dieselben Summen anstatt in den Westring in den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs investiert, könnten rund 5.000 Arbeitsplätze mehr geschaffen werden!

9 Es gibt Alternativen!

Die Verkehrspolitik in OÖ fördert einen Teufelskreis: Mehr Autos – mehr Straßen – mehr Autos – mehr Straßen usw. Die Folgen dieser autofixierten Verkehrspolitik kann man aus den Verkehrserhebungen ablesen. Zwischen 1992 und 2012 ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) von 55% auf 67,6% gestiegen; der Anteil des Öffentlichen Verkehrs (ÖV) ist dagegen von 14,2% auf 10,2% und der Anteil des Mischverkehrs ÖV-MIV von 2,9 auf 1,9% gesunken. Besonders dramatisch ist diese Entwicklung beim PendlerInnenverkehr aus dem Oberen Mühlviertel (Bezirk Rohrbach) nach Linz. Der ÖV-Anteil sank im Zeitraum 1992 bis 2012 von 24% auf 13,6%, der ÖV-MIV-Mischverkehr von 10,2% auf 6,2%; der Autoverkehr (MIV) dagegen explodierte - von 63,1% auf 75,2%. Hauptgrund dafür: der ständige Ausbau von Straßen und die systematische Vernachlässigung des Öffentlichen Verkehrs. Mit dem Bau des sündteuren Westrings soll diese Fehlentwicklung beschleunigt werden. Dabei liegt die Alternative auf der Hand: den Öffentlichen Verkehr fördern! Konkret: Mühlkreisbahn als Volleisenbahn ausbauen, die Langsamfahrstrecken sanieren, die Strecke elektrifizieren, den Takt verdichten, die Anbindungsmöglichkeiten (Park&Ride, Bike&Ride) verbessern, die Bahn Richtung Tschechien und Bayern verlängern und vor allem direkt in den Hauptbahnhof einbinden! Aus dem Bezirk Rohrbach pendeln täglich über 15.000 Menschen in die Nachbarbezirke, zum Großteil mit dem Auto, zum Großteil nach Linz. Mit den 650 Millionen, die der Westring zumindest kostet, könnte man jedem von ihnen eine Jahreskarte des OÖ-Verkehrsverbundes Rohrbach – Linz schenken – 137 Jahre lang! Geht man von den realistischeren Kosten in der Höhe von einer Milliarde aus, verlängert sich dieser Zeitraum auf 210 Jahre!

10 Für eine Verkehrswende!

Unser Aufruf an die politisch Verantwortlichen daher: Hört endlich auf, die PendlerInnen in Geiselhaft für Eure Unterordnung unter die Interessen der Automobillobby zu nehmen! Wir brauchen eine Verkehrswende! Also: Absolute Priorität für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs und der sanften Mobilität anstatt Megastraßenprojekten wie Westring, Ostumfahrung, Monsterautobahnbrücke, usw. Und unser Aufruf an die PendlerInnen: Viele von Euch leben am Land bzw. sind aufs Land gezogen, um Gestank, Umweltgiften und Lärm der Großstadt zu entfliehen. Das ist verständlich und sei allen vergönnt! Wenn Ihr mit dem Auto in die Stadt zur Arbeit fahrt, bezahlen aber die Menschen in der Stadt dafür den Preis, indem sie mit noch mehr Gestank, Umweltgiften und Lärm leben müssen. Wir wissen, dass es für viele von Euch noch keine wirkliche Alternative zum Auto gibt, weil die Verkehrspolitik die längste Zeit in die falsche Richtung gegangen ist. Umso wichtiger aber ist es, dass Ihr Euch nicht von einer autoindustriegetriebenen Politik für Wahnsinnsprojekte wie den Westring missbrauchen lasst. Nach teilweisen, kurzfristigen Entlastungen wird es umso mehr Staus und Verkehr geben. Lassen wir uns nicht auseinanderdividieren, sondern kämpfen wir gemeinsam für eine umwelt- und menschenfreundliche Verkehrswende! Das hilft den Menschen am Land genauso wie denen in der Stadt!

Solidarwerkstatt Linz-Gruppe
(Herbst 2015)