faschimus konkurrenzregimeBekanntlich fuhr vor kurzem das FPÖ-Führungspersonal nach Moskau, um dort mit der Partei „Einiges Russland“ einen „Freundschaftsvertrag“ zu unterzeichnen. Es gibt gute Gründe, diese Reise kritisch zu reflektieren – und es gibt Gründe, die nicht bloß grenzwertig, sondern schlicht neonazistisch sind.


So liest Conrad Seidl im „liberalen“ Mainstream-Medium „Der Standard“ der FPÖ-Spitze wegen deren Moskau-Trip mit folgenden Worten die Leviten: "Die Gründungsväter des VdU und der Freiheitlichen Partei werden sich im Grabe umdrehen. Zehntausende Soldaten, die von Hitler in den Krieg gegen Russland geschickt wurden und im Krieg gegen die sowjetische Herrschaft über Osteuropa gefallen sind, ebenso“.(1)

Das lässt tief blicken. Den Nachfolgern der Nazis wird quasi vorgeworfen, dass sie keine richtigen Nazis mehr sind. Offensichtlich nach dem Motto "Wenn das der Führer wüsste", geißelt Conrad Seidl die FPÖ als „geschichts- und ideologievergessene Rechte“ (1). Dass „Hitlers Soldaten im Krieg gegen die sowjetische Herrschaft über Osteuropa gefallen sind“, wird Conrad Seidl hoffentlich einen Eintrag im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands einbringen. Hitlers Angriffs- und Vernichtungskrieg im Osten solcherart zu legitimieren, ist ein klassisches Stereotyp neonazistischer Propaganda.

Es wäre freilich eine grobe Verharmlosung, den Kommentar Conrad Seidls als einmaligen Ausrutscher eines Journalisten abzutun. Seidl hat die Nase im Wind. Bereits im November 2014 verweigerten alle EU-Staaten – auch Österreich! - einem Antrag gegen die wieder aufkeimende Verherrlichung des Nationalsozialismus in der UNO-Generalversammlung die Zustimmung. Und vor wenigen Tagen, am 20.12.2016 - just an dem Tag, an dem Seidls Kommentar veröffentlicht wurde - hat sich dieser Skandal wiederholt. Erneut haben die EU-Staaten dem Antrag "Kampf gegen Heroisierung des Nazismus, Neonazismus und andere Handlungen, die die Eskalation von modernen Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, des Fremdenhasses und der damit verbundenen Intoleranz fördern" in der UNO-Generalversammlung die Zustimmung verweigert. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die EU arbeitete beim Staatsstreich in der Ukraine im Februar 2014 mit neofaschistischen und antisemitischen Milizen zusammen, um einen prowestlichen Regimechange in Kiew durchzusetzen. Diese Milizen verherrlichen NS-Kollaborateure wie Stephan Bandera. Die neue prowestliche Regierung unter Petro Poroschenko ließ den 14. Oktober, den Gründungstag der UPA (Ukrainische Aufständische Armee), zum Staatsfeiertag ausrufen. Die UPA war während des 2. Weltkriegs in die NS-Kriegs- und Vernichtungsmaschinerie integriert und für furchtbare Verbrechen an der Zivilbevölkerung verantwortlich. Eine EU-Polizeimission trainiert derzeit Einheiten des ukrainischen Innenministeriums, dem auch Milizen wie das Asow-Batallion unterstellt sind. Dessen Anführer Andrij Biletzki sieht den Kampf gegen die Aufständischen in der Ostukraine als „Kreuzzug für die weiße Rasse“ und zwar „gegen die von Semiten geführten Untermenschen“. Zu den beliebten Symbolen des Asow-Bataillons zählen SS-Rune und Hakenkreuz.

Je stärker sich der militaristische Kern des EU-Projekts herausschält, desto hellsichtiger erweist sich die Analyse des Friedens- und Zukunftsforscher Robert Jungk. Dieser hatte 1991 – als Präsidentschaftskandidat der Grünen! - die EG bzw. EU als „eine höchst subtile Form des Faschismus“ (2) bezeichnet. Jungk hatte bereits vor zweieinhalb Jahrzehnten erkannt, dass dem neoliberalen EU-Marktfundamentalismus ein enorm autoritäres, militaristisches Potential innewohnt. Leute wie Conrad Seidl, der bei kaum einer Gelegenheit verabsäumt, die weitere Militarisierung der EU zu propagieren, belegen, dass auch in „liberalen“ Kreisen die Scheu bröckelt, den erneuten Drang nach Osten mit ideologischen Versatzstücken und Feindbildern aus einer Ära zu legitimieren, als das weniger subtil geschah.

Der FPÖ-Spitze wird der Seidl-Kommentar ein paar Schenkelklatscher wert gewesen sein. Als Kollateralnutzen ihrer Moskaureise dürfen sie verbuchen, dass sie gegebenenfalls vom „liberalen“ Mainstream rechtsaußen überholt werden, wenn es dem gemeinsamen Ziel – Aufbau einer militärischen EU-Großmacht – dienlich ist. Und bei braunen Rülpsern aus ihren Reihen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder kommen werden, können Strache & Co in Hinkunft augenzwinkernd auf ihren Spießgesellen in der Standard-Redaktion verweisen.

Für die antifaschistische Bewegung in Österreich sollten solche Kommentare ein Weckruf sein, den engen Zusammenhang zwischen imperialer EU-Großmachtspolitik und dem Erstarken des Rechtsextremismus zu reflektieren – und daraus die Konsequenzen zu ziehen. Der Nazipropaganda müssen wir überall entgegentreten! Demonstrieren wir in diesem Sinne am 4. Februar 2017 in Linz gegen den Burschenbundball, gegen die schwarz-blaue Sozialabbaupolitik in Oberösterreich und für ein neutrales, antifaschistisches Österreich, das sich in keiner Form an der EU-Militarisierung beteiligt!

Gerald Oberansmayr

(27.12.2016)

Quelle:
(1) Der Standard, 20.12.2016
(2) OÖ-Nachrichten, 9.12.1991