Der Rechtsentwicklung entgegentreten, heißt für eine demokratische und solidarische Wende kämpfen. Einladung zum Offenen Treffen "demokratisch - sozial - souverän - neutral" für Aktionen gegen die kommende Regierung von Gnaden der Industriellenvereinigung am Samstag, 4. November 2017, 10 Uhr, Amerlinghaus (Stiftgasse 8, Wien).

Die österreichische Gesellschaft entwickelt sich weiter nach rechts. 23 Jahre nach dem EU-Beitritt bleiben nicht nur die demokratischen und sozialen Versprechen uneingelöst, auch die Erzählung von Weltoffenheit und internationaler Solidarität ist nur noch in Facetten erkennbar. Ausdruck dieser Rechtsentwicklung ist nicht nur der Stimmenzuwachs für die FPÖ. Auch der Durchmarsch eines neuen Führers der ÖVP unter offener Übernahme eines rechtsliberalen Programms charakterisiert die Rechtsentwicklung nur unzureichend. Es ist der gesamte gesellschaftliche Verhandlungsrahmen, der sich mit der Unterordnung unter das EU- Konkurrenzregime nach rechts verschoben hat. Wenn sozialdemokratische Gewerkschafter im Gewerkschaftsrock über die antisoziale Austeritätspolitik in der EU monieren, im Nationalratssakko aber den EU-Fiskalpakt absegnen, dann ist das rechte Politik.

Wenn ein Verteidigungsminister und ein Außenminister in Talinn die volle Teilnahme am militärischen Kerneuropa ohne Befassung des Parlaments zusichern, dann ist das rechte Politik.

Wenn auch die Grünen, deren Wurzeln in die Friedensbewegung zurückreichen, dies im Wahlkampf nicht thematisieren, so ist auch das Ausdruck einer Rechtsentwicklung. Vor wenigen Monaten zeigten sich viele erleichtert, dass mit Van der Bellen nunmehr die Republik vor einer rechtsextremen Präsidentschaft gesichert sei. Wir werden in wenigen Wochen oder Monaten das absurde Schauspiel erleben, dass eben diese Figuren, vor denen uns der Präsident schützen sollte, von ihm angelobt werden. Den geforderten Eid auf die EU haben sie bereits im Vorfeld geleistet.

Das Programm der voraussichtlich kommenden Regierung stammt über weite Strecken aus der Feder der Industriellenvereinigung und ihrem Umfeld. Diese Kräfte sehen die Chance, ein neues Machtzentrum aufzubauen, das den neoliberalen Umbau radikalisiert und diesen Umbau durch chauvinistische Rhetorik und Politik absichert. Sie wissen, dass sie schnell handeln müssen, denn viele haben sie aus verirrter Hoffnung auf die Verbesserung ihrer sozialen Lage gewählt. Hauptangriffsziele werden Interessensorganisationen, Verhandlungs- und Entscheidungsstrukturen sein, die sich einem radikalisierten neoliberalen Umbau der Gesellschaft entgegenstellen. Genau in dieser politischen Stoßrichtung liegt die kommende Regierung völlig deckungsgleich mit der Stoßrichtung der supranationalen EU-Bürokratie. Jeglicher Protest gegen die kommende Regierung wird sich deshalb der Lächerlichkeit preisgeben, wenn er dafür die EU zu Hilfe ruft.

Grundlegende Infragestellung der neoliberalen Wende

Um der Rechtsentwicklung insgesamt entgegentreten zu können, bedarf es der grundlegenden Infragestellung der neoliberalen Wende. Die Beseitigung jeglicher Handelshemmnisse führt zu Lohnverlusten, Entdemokratisierung und Sozialabbau. Die Schere zwischen arm und reich geht weiter auseinander und die Konzentration von Vermögen in den Händen weniger erreicht Werte von vor 1914. Die Ungleichgewichte in den internationalen Austauschbeziehungen werden größer. Deregulierte Finanzmärkte können diese Ungleichgewichte nicht ausgleichen, sondern werden selbst zu Brandsätzen für die nächste Krise. Exportschlachten gefährden die internationalen Beziehungen und destabilisieren Gesellschaften an der Peripherie soweit, dass sie teilweise in offenen kriegerischen Auseinandersetzungen münden.

Die EU-Integration ist der Treibriemen für den neoliberalen Umbau in Österreich. Ernsthafter Protest gegen die rechte Politik einer Regierung kann daher den Protest gegen die rechte Politik der EU nicht länger ausklammern. Es ist geradezu ein Konstruktionsprinzip der EU, dass keine Alternative zu ihrer marktradikalen, antidemokratischen, militaristischen und im Ergebnis chauvinistischen Politik in ihren Strukturen durchsetzbar sein darf. Es gilt deshalb über Alternativen zur Mitgliedschaft in der EU nachzudenken. Wer jetzt den Protest gegen die kommende Regierung auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ konzentriert, sitzt in der Falle, solange er keine Alternative zur Rechtsentwicklung insgesamt auf die Tagesordnung rückt. Wir brauchen ein demokratisches, solidarisches, ökologisches, neutrales und freies Österreich.

Demokratisch, solidarisch, ökologisch, neutral und unabhängig

Es geht um eine demokratische Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der alle, die mit ihr ihre Lebensinteressen verbinden, an der gemeinsamen Willensbildung teilhaben können. Das erfordert den Bruch mit der Unterordnung unter Einrichtungen, die den neoliberalen Umbau vorantreiben, insbesondere der EU-Bürokratie. Das erfordert aber auch den Bruch mit einem politischen Establishment, das die Enttäuschten gegen Feindbilder laufen lässt und damit im Kreise führt, während es Politik im Interesse der Machteliten durchsetzt.

Es geht um eine solidarische Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die die kollektiven Rechte der Arbeitenden respektiert und schützt. Eine Gesellschaft, die die Möglichkeiten der demokratischen Steuerung wirtschaftlicher Vorgänge ausbaut und dabei die Interessen aller beachtet. Wir wollen eine Politik, die die Produktivitätsgewinne nicht in Exportschlachten und Akkumulation parasitären Reichtums verbrennt, sondern für den Ausbau öffentlicher Leistungen im Bereich, Gesundheit, Pflege, Bildung und einer ökologischen Wende nutzt. Wir wollen eine Politik, die nicht Arme gegen Arme ausspielt, sondern die Existenzrechte aller schützt.

Es geht um ein ökologisches Österreich, das dem Gewordenen in Natur und Gesellschaft mit Respekt gegenübertritt. Vielfalt als Strategie zur Minimierung ökologischer Risiken gerät im Rahmen eines einheitlichen globalen und europäischen Marktes enorm unter Druck.

Auf Grundlage der immerwährenden Neutralität kann und muss Österreich wieder eine friedensstiftende Außen- und Sicherheitspolitik entwickeln. Die UN-Initiative zur Abschaffung aller Atomwaffen ist ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten derartiger Politik. Wir wollen weltoffen anderen Gesellschaften auf gleicher Augenhöhe gegenübertreten. Das erfordert das Ende des Mitmarschierens bei Großmächten und Militärblöcken wie EU und Nato. In der Neutralität erkennen wir die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen neutralen und nichtpaktgebundenen Staaten, zum Frieden und zu gerechten internationalen Beziehungen beizutragen.

Es geht um ein freies, souveränes Österreich. Das bedeutet nicht Isolation und Abgrenzung.

Unsere Ziele können nur wirkmächtig werden, wenn wir sie auf einen konkreten politischen Raum beziehen. Nur in diesem politischen Rahmen können Demokratie und Sozialstaat realisiert werden. Der Vorwurf des Rückfalls in den Nationalismus. führt in die Irre. Der Nationalstaat ist nicht überwunden, sondern nach wie vor der Rahmen, in dem das Zusammenleben der Menschen politisch organisiert wird. Die Aufforderung, ihn nicht zu nutzen, weil dies nationalistisch sei, käme einer Selbstaufgabe gegenüber den Eliten gleich.

Wir stehen vor heftigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Wie auch immer die Regierung konkret aussehen wird, die Konturen ihrer politischen Vorhaben sind schon jetzt absehbar:

* Einschnitte bei den Sozialleistungen für die Ärmsten, insbesondere MigrantInnen
* Angriffe auf die Selbstverwaltungskörper in Kammern und Sozialversicherungen
* Angriffe auf Kollektivverträge und Gewerkschaften
* eine massive Kürzungspolitik bei den Budgets, die die Leistungsfähigkeit öffentlicher Einrichtungen weiter beschädigt und die Spaltung in Zweiklassensystemen vorantreibt.
* weitere Steuergeschenke für Konzerne und Reiche
* Verschärfung der Wohnungsnot in den Ballungszentren
* Ausbau des Überwachungsstaates, Ausbau des Repressionsapparates
* weiterer Stillstand in der Klimapolitik.
* weitere Deregulierung und Liberalisierung im Bereich des Verkehrs, anstatt hier eine ökologische Wende einzuleiten.
* Angriffe auf die Menschenrechte von Flüchtlingen und MigrantInnen, Segregation statt Integration durch rassistische Gesetze.
* Aushöhlung der Neutralität durch Teilnahme am militärischen Kerneuropa

Die Solidarwerkstatt wird alle Menschen, alle politischen Kräfte und Institutionen, die bereit sind, sich diesen Angriffen zu widersetzen, nach Kräften unterstützen. Wir stellen dafür keine Bedingungen, verlangen aber den Respekt vor den politischen und sozialen Rechten aller Menschen, die in Österreich ihren Lebensmittelpunkt haben. Wir sind überzeugt, von der Notwendigkeit eines Bruchs mit dem neoliberalen Regime. Wir wollen diese Überzeugung niemandem aufzwingen, sondern zeigen, dass sie in den konkreten Auseinandersetzungen der kommenden Zeit hilfreich und nützlich ist.

Boris Lechthaler