EU Soldat. weibuchDie Kommission hat Anfang März ein Weißbuch zur Zukunft der EU vorgelegt (1). Schaut man sich die einzelnen Szenarien näher an, so entdeckt man allerdings: Es geht weniger darum, unterschiedliche Entwicklungsperspektiven zu präsentieren, sondern verschiedene (Um-)Wege zu ein und demselben Ziel: der EU als globaler Militär- und Konzernmacht.

Die EU-Kommission stellt in diesem Weißbuch fünf verschiedene Entwicklungsszenarien vor. Diese Szenarien reichen von der Reduzierung auf einen Binnenmarkt, über verschiedene Varianten einer engeren Integration einer Kerngruppe bzw. der selektiven Integration aller EU-Staaten bis hin zu einer umfassenden Zentralisierung der Politik auf EU-Ebene. Schaut man sich die einzelnen Szenarien näher an, so entdeckt man allerdings: Es geht weniger darum, unterschiedliche Entwicklungsperspektiven zu präsentieren, sondern verschiedene (Um-)Wege zu ein und demselben Ziel: der EU als globaler Militär- und Konzernmacht.

Die EU-Staaten verfügen derzeit zusammen über Militärausgaben, die so groß sind, wie die Militärhaushalte von Russland und China zusammen(!). Die NATO kommt in Summe auf in etwa das Dreifache (!) der addierten Rüstungsausgaben von Russland und China. Von der qualitativen Überlegenheit ganz zu schweigen. Wie kann man bei einer derartigen Überlegenheit Menschen in Europa dazu bringen, mehr in Rüstung zu investieren, während gleichzeitig der Sozialstaat abgebaut wird? Die EU-Kommission hat im Weißbuch einen Weg gefunden: Man schaut in eine düstere Kristallkugel, die in Form einer britischen Studie prophezeit, dass im Jahr 2045 (!) China die EU-Staaten militärisch bereits überholt haben könnte.

Zentrales Kommando

Mit dem Schauder der „gelben Gefahr“ im Rücken, kann das Weißbuch lospoltern: „Sanfte Macht ist nicht mehr mächtig genug, wenn Gewalt über Recht herrscht.“ Die EU-Kommission will, dass die EU mehr für Rüstung ausgibt, vor allem will sie das militärische Potential unter einem zentralen Kommando machtvoll “in action“ bringen. Europa müsse „mit einer Stimme sprechen und mit dem kollektiven Gewicht der Mitgliedsstaaten handeln“ (Seite 8) – also auch mit einer Faust zuschlagen. Das ist der Dreh- und Angelpunkt, um den all die Vorschläge der EU-Kommission kreisen.
Dass es vor allem die westlichen Staaten waren, die in den letzte Jahrzehnten, das Völkerrecht mit ihren gar nicht sanften Gewaltexzessen gebrochen haben – Angriffskriege gegen Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen; indirekte Intervention in Syrien, Ukraine, am afrikanischen Kontinent, Waffenlieferungen an Diktaturen, usw. – erwähnt das Weißbuch freilich nicht. Das würde schließlich dem Geschrei nach EU-Aufrüstung sofort als das entlarven, was es ist: plumpe militaristische Propaganda.

„Symbiotische Beziehung“
„Mit einer Stimme sprechen“  will die EU aber nicht nur bei der Entfaltung von militärischer Gewalt, sondern auch bei der Durchsetzung von Freihandelsabkommen à la TTIP, CETA, TiSA & Co. Dafür muss die Stimme der nationalen Parlamente zum Verstummen gebracht werden. Dass neoliberale Freihandelsabkommen an der demokratischen Abstimmung von Parlamenten oder Volksabstimmungen in den Mitgliedsstaaten scheitern könnten, ist Juncker & Co ein Gräuel. Ebenso wie die Zentralisierung der militärischen Machtmittel auf EU-Ebene beschworen wird, so eifrig plädieren die Kommissare für die völlige Entmündigung der einzelstaatlichen Parlamente bei der Entscheidung über Freihandelsabkommen. Hier hat Brüssel zu entscheiden – und sonst niemand. Nur so könne sichergestellt werden, dass die EU in der Welt „für den fortschreitenden Freihandel aufsteht“. (Seite 9)

Konzernmacht braucht Militärmacht – nicht Demokratie! Schon 2009 erläuterte das Strategiepapier „What Ambition for European Defence in 2020“ der EU-Agentur ISS diesen Zusammenhang ohne viel Federlesen. Darin heißt es, „die EU muss mit den Transnationalen Konzernen eine symbiotische Beziehung eingehen“, denn „diese brauchen den Staat und der Staat braucht sie“(2). Je größer das Imperium und je zentralisierter die Entscheidungen, desto besser funktioniert diese „Symbiose“ von Konzern- und Militärmacht. Demokratie und Souveränität auf der Ebene der Nationalstaaten bringen da nur Sand ins Getriebe.

„Demokratie hat mit Vielfalt zu tun“
Der bekannte norwegische Friedensforscher Johan Galtung hat über den Drang der EU-Eliten zur Zentralisierung von politischer und militärischer Macht schon vor einiger Zeit ein klares Urteil aus dem Blickwinkel der Friedensforschung gefällt: „Das ist die Politik, mit der man einen Superstaat macht. Das ist die alte Idee, ‚mit einer Stimme zu sprechen‘. Und diese Idee halte ich für totalitär und undemokratisch. Denn Demokratie hat mit Vielfalt zu tun.“ (3)


Quellen:
(1) White Paper on the Future of Europe, European Commission, Brüssel, 1.3.2017
(2) EU-Institut für Sicherheitsstudien, What Ambitions for European Security in 2020, Paris 2009
(3) Johan Galtung, Vortrag auf dem Symposium „Europas Sicherheit im Umbruch“, 14.5.1993, Linz

Hinweis:
Aktion
"SolidarstaAt statt EU-Konkurrenzregime - 2. Republik statt 4. Reich!"
Sonntag, 14. Mai 2017
ab 14 Uhr, beim Denkmal der Republik (Parlament, Wien)