Mit dem EU-Japan-Freihandelsabkommen (JEFTA) droht der nächste Angriff auf Sozial- und Umweltstandards. Wieder sollen Konzerne ein privilegiertes Klagerecht bekommen.

 Die Proteste gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA sind den meisten Menschen noch sehr gut in Erinnerung, viele haben sich persönlich engagiert und an Demonstrationen teilgenommen. Leider können wir uns nicht beruhigt zurücklehnen, weil schon der nächste Angriff auf unsere Demokratie und auf die Umwelt- und Arbeitsschutzbestimmungen vorbereitet wird. Anfang Juli wurde in Brüssel eine vorläufige Einigung beim Handelsabkommen JEFTA (Japan EU Free Trade Agreement) zwischen der EU und Japan verkündet. Sollte dieses in Kraft treten, wäre es das bisher größte bilaterale Handelsabkommen der Europäischen Union. Die EU und Japan machen zusammen schon heute rund ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung aus, so entstehe die „größte Freihandelszone der Welt“.

JEFTA wird schon seit 2013 streng geheim und ohne demokratische Kontrolle verhandelt. Im März 2017 wurden ATTAC Verhandlungsdokumente zugespielt und dieses Thema erst so einer interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht.

Auch bei JEFTA: privilegierte Konzernklagerechte
Beim Datenschutz, bei der regulatorischen Kooperation und beim Investitionsschutz gibt es bisher noch keine Einigung. Japan möchte das alte ISDS-System (private Schiedsgerichte) der Konzernklagerechte im Vertrag verankern, die EU will ICS (Investitionsgerichtshof) wie bei CETA. Lassen wir uns nicht täuschen: Konzernklagerecht bleibt Konzernklagerecht!
Ende Juni hat Greenpeace Niederlande rund 200 Seiten Verhandlungsdokumente veröffentlicht und vor einer Absenkung bei Umwelt-, Klimaschutz-, Sozial- und Arbeitsstandards durch JEFTA gewarnt.

Untergrabung des Vorsorgeprinzips
Ein Kritikpunkt unter vielen ist, dass das Vorsorgeprinzip untergraben wird. Die Einfuhr von problematischen Lebensmitteln (Hormonfleisch, gentechnisch veränderter Nahrung,…) könnte nur noch verboten werden, wenn Gesundheitsgefahren wissenschaftlich zweifelsfrei erwiesen sind, und nicht wie bisher bei begründetem Verdacht, krebserregend zu sein.

Besorgniserregend ist auch, dass die EU und Japan bei diesem Abkommen nicht bereit sind, Verstöße gegen soziale Standards und internationale Umweltkonventionen im Rahmen von JEFTA zu sanktionieren. Es werden zwar Sonderrechte für Konzerne verankert, mit denen diese Staaten verklagen können, aber bei Verstößen gegen Arbeits- oder Umweltrecht ist nur ein zahnloses Verfahren in Form von Mediation und Konsultation vorgesehen. Da sollen dann ExpertInnen „Empfehlungen“ aussprechen. Ignoriert das Unternehmen dieselben, bleibt dies ohne Konsequenzen.
„Aus TTIP und CETA wurde nichts gelernt“, erklärte AK-Präsident Rudolf Kaske. Das geplante Abkommen sei „ein Beispiel für eine Handelspolitik, die gesetzliche Regelungen zu Arbeitsrechten, Konsumenten- und Umweltschutz grundsätzlich als Handelshemmnisse betrachtet. Die Arbeiterkammer lehnt daher solche Abkommen ab.“

Angriff auf japanische Bauern und Bäuerinnen
In Bezug auf die Landwirtschaft sind bei diesem Abkommen die japanischen Bauern und Bäuerinnen diesmal die Verlierer. Die durch Massentierhaltung und andere Mis-stände verursachte Überproduktion von Fleisch, Milch etc. seitens der EU bedroht, wenn JEFTA zustande kommt, die Existenz tausender bäuerlicher Betriebe in Japan. Es sollen auch diesmal, wie schon bei CETA, Bäuerinnen und Bauern unterschiedlicher Regionen gegeneinander ausgespielt werden. Da ist auch jetzt meine Hoffnung, dass dies nicht gelingt!
Außer mit Japan führt die EU-Kommission mit sehr vielen Ländern dieser Welt bilaterale Handelsgespräche. Auch mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten erhofft sie sich noch in diesem Jahr einen Abschluss. Daneben war für diesen Sommer der offizielle Verhandlungsbeginn für ein Freihandelsabkommen mit Neuseeland und Australien geplant. EPA („Economic Partnership Agreement“), das den Bauern, Fischern und Handwerkern die Lebensgrundlage entzieht, wird in vielen afrikanischen Staaten schon „vorläufig angewendet“. Der EU-Vertrag ermöglicht dieses undemokratische Inkraftsetzen von Freihandelsverträgen, obwohl es in den nationalen Parlamenten noch gar nicht ratifiziert worden ist. Als logische Konsequenz fliehen immer mehr Menschen dann nach Europa.
Es gibt klare Aussagen darüber, dass die EU in Zukunft vermeiden möchte, dass Freihandelsabkommen von allen Parlamenten der Mitgliedsstaaten (und auch von einigen Regionen wie im Fall CETA vom störrischen belgischen Wallonien) ratifiziert werden muss. Auch da müssen wir hellhörig bleiben…

Volksabstimmung! Kein Mandat für die EU-Kommission!
Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass die EU den neoliberalen Freihandel nach innen wie nach außen im Primärrecht, also im Verfassungsrang, verankert hat. Unsere einzige Chance ist, zu erkennen: Die EU wurde genau dafür geschaffen und dafür konstruiert, diesen Freihandelsdogmatismus gegenüber sozialen Protesten und der Demokratie in den Nationalstaaten zu immunisieren. Daraus gilt es endlich die Lehren zu ziehen: Volksabstimmungen über Freihandelsverträge – kein Mandat für die EU-Kommission, solche Freihandelsverträge in unserem Namen auszuhandeln! Sonst wird es den sozialen Bewegungen wie dem Hasen mit dem Igel im Märchen der Gebrüder Grimm gehen. Wie sehr wir auch hetzen, der nächste Freihandelsvertrag, der hinter unserem Rücken ausverhandelt wurde, ist immer schon wieder da.

Susanne Müller
(September 2017)

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Fairer Handel statt Freihandel!